Body-Horror gilt ja gemeinhin als Ausdruck verstörender Körperlichkeiten. Der in der Genrebezeichnung enthaltene Warnsticker teilt Ungeübten oder Ahnungslosen mit: Wer physische Deformationen nicht erträgt, sollte solche Filme meiden. Das gilt auch für «The Substance», eine hyperstylische Parabel über Sexismus, Egozentrik und Einsamkeit, die alles ins Feld führt, was einem in Mark und Knochen fahren kann.
Alternde Schauspielerin wird geklont
Im Zentrum steht Elisabeth Sparkle (Demi Moore), ein ehemaliger Filmstar, der sich mit einer TV-Fitnessshow ins mittlere Alter gerettet hat. Dann aber wird sie von ihrem Chef Harvey (herrlich überkandidelt: Dennis Quaid) entlassen, während dieser in Grossaufnahme eine Ladung Crevetten verspeist.
Ja, Harvey will Frischfleisch. Und das bekommt er, denn zufällig gerät Elisabeth an ein Schwarzmarktunternehmen, das ihr mittels Serum ein jüngeres geklontes Selbst verspricht. Gesagt, getan.
Kaum hat sich die knackige Sue (Margaret Qualley) aus Elisabeths Rücken gezwängt, wird die gemeinsame Lebenszeit geteilt. Während die eine dahindämmernd am Nährstoffbeutel hängt, kann sich die andere austoben. Nach einer Woche wird getauscht. Das Problem: Sue steigt in Harveys Gunst so schnell zum Star auf, dass sie immer weniger Lust hat, die zeitlichen Regeln einzuhalten.
Mit drastischen Folgen für Elisabeth, deren Körper immer schneller verfällt. Anders als in Body-Horror-Klassikern wie David Cronenbergs «Existenz», die sich langsam ans Thema herantasten, kommt Regisseurin Coralie Fargeat in «The Substance» sofort auf den Punkt. Mit extremen Close-ups, hämmernden Soundeffekten, Grossbuchstaben und klinisch anmutenden Interieurs.
Demi Moore: Wie viel Biografie steckt im Film?
Das Filigrane ist Fargeats Sache nicht. Der Clou ihres Films liegt vielmehr im Clash aus dramatischer Überzeichnung und komischer Ernsthaftigkeit. Ob Jugendwahn, Erfolgssucht oder andere Fetische – es läuft auf dasselbe hinaus, und Fargeat betont das mit überspitzt voyeuristischem Blick: Dabei geht es weniger um genretypische Blutduschen (die gibts nicht zu knapp) als vielmehr um den zerstörerischen Selbsthass einer der Selbstoptimierung verfallenen Frau.
Das wiederum ist so konsequent umgesetzt, dass der überwiegend in einem Badezimmer spielende Film in Cannes den Preis für das beste Drehbuch erhielt. Das Erstaunlichste aber ist, dass ausgerechnet Demi Moore diese Elisabeth verkörpert. Die US-Amerikanerin war in den 90er-Jahren eine der bestbezahlten Schauspielerinnen und fesselte die Kinofans, zum Beispiel mit «Ein unmoralisches Angebot» (1993).
Doch in jüngster Zeit war von der 61-Jährigen kaum noch etwas zu hören ausser Spekulationen über Schönheitsoperationen. Umso bemerkenswerter, wenn sich Moore nun in «The Substance» geradezu manisch verunstalten lässt. Wie viel von der eigenen Biografie in diesem Film steckt, bleibt offen. Sicher ist, dass Demi Moore bereits jetzt als Oscaranwärterin für 2025 gehandelt wird.
The Substance
Regie: Coralie Fargeat
UK/USA/F 2024
140 Min., ab Do, 19.9., im Kino