Wie doch die Zeit vergeht.Geshlagene 23 Jahren ist es her, seit eine schwedische Kommune namens Tillsammans im Kino für Furore sorgte. Regisseur Lukas Moodysson, der damals gerade mit seinem Filmdebüt «Fucking Amal» den internationalen Durchbruch geschafft hatte, war auf der Höhe seiner Kreativität. Sein Ensemblestück «Tillsammans» spielte in den 70er-Jahren und mäanderte mit Witz und List um vermeintlich freie Kommunarden-Beziehungen.
Der kindliche Blick auf zwischenmenschliche Unzulänglichkeiten, die das im Titel erwähnte Zusammengehörigkeitsgefühl auf die Probe stellten, sorgte für bestes Feel-good-Kino. Schade nur, dass Moodyssons folgende Filme ungleich düsterer und verkrampfter daherkamen, mehr als Mittelmass sprang dabei selten heraus.
Höchste Zeit also, dass der schwedische Regisseur für «Tillsammans 99» seine einstige Truppe reaktiviert und diese mit wenigen Ausnahmen (Michael Nyqvist starb 2017, Ola Norell wurde durch Jonas Karlsson ersetzt) vor neue Herausforderungen stellt.
Ein Geburtstagsfest mit den Ehemaligen
Die Anfangsszene ist grandios: Im Gegensatz zum Original, wo die von ihrem Mann verprügelte Elisabeth (Lisa Lindgren) mit ihren Kindern in die überfüllte Kommune flüchtet, ist die Truppe nun auf magere zwei Mitglieder geschrumpft – den bärtig-gutmütigen Göran (Gustaf Hammarsten) und den verdrossenen Klasse (Shanti Roney).
Wobei das Duo eisern an Traditionen festhält, etwa dem regelmässigen Gruppentreffen mit Traktanden wie Abwasch («Du nimmst zu wenig Reiniger») oder Mitgliederrekrutierung («Da läuft es auch nicht gut»). Doch dann trommelt Klasse für Görans Geburtstag alle einstigen Mitbewohner zusammen – freilich ohne zu ahnen, was er sich damit ins Haus holt. Wenn zum Beispiel Göran stolz verkündet, dass sie noch immer keinen Fernseher hätten, entgegnen Signe und Sigvard, dass sie schon lange beim schwedischen Rundfunk arbeiten.
Und es kommt noch schlimmer: Görans ehemalige Geliebte Lena (Anja Lundqvist), die mit ihrer angeblichen Tochter angereist ist, erzählt bei erstbester Gelegenheit von ihren Psychosen.
Ende des luftig-leichten Gruppenchaos
Schliesslich stellt Erik (Olle Sarri) den Plattenspieler ab und fordert von seiner «Sekte» Reue und eine kollektive Entschuldigungsschrift für sämtliche ideologischen Verfehlungen. Spätestens da wird klar: «Tillsammans 99» ist nicht mehr jenes luftig-leichte Gruppenchaos von einst, sondern eine mit beträchtlicher Ernüchterung durchzogene Lebensbilanz.
Das wirkt manchmal etwas sperrig, die Einzelschicksale verknüpft Moodysson jedoch wunderbar. Etwa wenn Lenas namenlose Tochter, die in der ersten Hälfte des Films kein Wort sagt, den greisen Birger (Sten Ljunggren) plötzlich mit existenziellen Fragen zu Einsamkeit und Tod konfrontiert. Oder wenn das geistige Krafttier des weicheiigen Göran – ein Wolf – kurzerhand durch ein Fohlen ersetzt wird.
An solchen Details sieht man, wie geschickt und liebevoll der Regisseur mit seinem Ensemble umgeht. Und wie er selbst dem stursten Ideologen eine zweite Chance gewährt.
Tillsammans 99
Regie: Lukas Moodysson
Schweden/Dänemark 2023, 115 Min.
Ab Do, 4.4., im Kino