Spielfilm: Aussenseiter unter sich
«White Bird» erzählt von einem jüdischen Mädchen während der Nazi-Okkupation. Regisseur Marc Forster bringt seine Fantasiewelten zum Leuchten.
Inhalt
Kulturtipp 10/24
Hans Jürg Zinsli
Was gäbe es zu bemängeln an einem weiteren Holocaust-Drama? Höchstens den Umstand, dass es schon sehr viele davon gibt und man deshalb einen neuen Blickwinkel erwarten möchte. «White Bird» von Marc Forster fällt da in die Kategorie «knapp erfüllt», und das hat mit den Stärken des deutsch-schweizerischen Regisseurs in US-Diensten zu tun. Die Rahmenhandlung beginnt in der Gegenwart: Julian (Bryce Gheisar) wird in New York wegen Mobbings...
Was gäbe es zu bemängeln an einem weiteren Holocaust-Drama? Höchstens den Umstand, dass es schon sehr viele davon gibt und man deshalb einen neuen Blickwinkel erwarten möchte. «White Bird» von Marc Forster fällt da in die Kategorie «knapp erfüllt», und das hat mit den Stärken des deutsch-schweizerischen Regisseurs in US-Diensten zu tun. Die Rahmenhandlung beginnt in der Gegenwart: Julian (Bryce Gheisar) wird in New York wegen Mobbings der Schule verwiesen.
Er muss anderswo neu beginnen und wirkt dabei halb verstockt, halb unbelehrbar. Da trifft es sich, dass seine als Künstlerin verehrte Grossmutter Sara (Helen Mirren) gerade in der Stadt weilt und ihm mit ihrer Binnenerzählung auf die Sprünge hilft. Sara erzählt Julian von sich als jüdischem Mädchen (Ariella Glaser), das in Frankreich die Nazi-Okkupation miterlebte. Die Flucht gelang Sara nur, weil der an Polio erkrankte Mitschüler Julien (Orlando Schwerdt) sie in Geheimgängen aus der Schule lotste und in der Scheune seiner Eltern versteckte.
Träume von Zufluchtsorten
Dort, in der Scheune, spielt sich der Hauptteil von «White Bird» ab, und am stärksten ist der Film, wenn er in die Fantasiewelten von Sara und Julien eintaucht. Zum Beispiel, wenn sie sich in einem Auto gegenseitig in imaginierte Zufluchtsorte wie Paris oder New York träumen. Dass Regisseur Forster solche Kinomagie beherrscht, hat er schon in «Finding Neverland» (2004) über den «Peter Pan»-Erfinder J. M. Barrie bewiesen.
Auch in «White Bird» tut er alles, um die starke Bindung zwischen den jugendlichen Aussenseitern zu betonen. Schade bloss, dass die Szenerie mit etwas platten Symbolen (der Vogel im Titel stammt aus der Graphic-Novel-Vorlage von R. J. Palacio) versüsst und aufgrund einer übersterilen Umgebung nie wirklich greifbar wird. Dreckig ist es in «White Bird» nicht mal in den Abwasserkanälen.
White Bird
Regie: Marc Forster
USA 2023, 120 Minuten
Ab Mi, 8.5., im Kino