Wer von der Schweiz aus in Berlin eintrifft, fühlt sich anfangs verloren. Die ausufernd flache Grossstadt bietet kaum topografische Orientierungspunkte. Diese Erfahrung haben offenbar auch Sängerin Lea Maria Fries, Gitarrist David Koch und Drummer Valentin Liechti gemacht. Das Trio mit dem verspielten Namen Vsitor stammt aus Luzern und Genf, lebt aktuell aber in Berlin. Mit ihrem Debüt erkundet es Beschaffenheit und Geheimnisse von amorphen Räumen und der Begegnung darin. Ihre Musik, schreibt die Band, vertone «brüchige Momente der Bewegung», die zur «Erkundung des Menschseins an sich» führen können.
Sphärisch, karg und komprimiert
Der Grundtenor des Albums gibt diese Orientierungslosigkeit wieder, die zur Suche, zur Reise und Selbstfindung wird. Die elf Songs klingen sphärisch, karg und stellenweise wie komprimiert in digitaler Künstlichkeit. Und dennoch hört man gerne zu, lässt sich treiben durch diesen postmodernen Grossstadt-Pop, der unter dem digitalen Gewand eine analog pulsierende Wärme spüren lässt.
Diese akustische Wellness entströmt der speziellen Machart des Albums. David Koch und Valentin Liechti haben während zweier Jahre musikalische Ideen gesammelt und mit verschiedenen akustischen Instrumenten aufgenommen. Im Intro und Finale des Albums ist ein verstimmtes Klavier zu hören. Andernorts sind es Gitarren, Flöten und Saxofone, Perkussionsinstrumente und Alltagsgeräusche. Und natürlich der Gesang: Die Stimme von Lea Maria Fries klingt meistens ungeschminkt authentisch und trifft sich immer wieder auch im Unisono oder Kontrapunkt mit den «Backing Vocals» ihrer beiden Kollegen. Auch mit ihren Texten verbreitet Fries eine analoge Wärme, indem sie eben jene «Erkundung des Menschseins» thematisiert.
Die elf nun vorliegenden Stücke sind auf zeitgemässe Art entstanden. Die Ideenskizzen schickten sich Koch und Liechti über elektronische Kanäle gegenseitig zu. Mit der Zeit schälten sich Songstrukturen heraus, in die sich Lea Maria Fries mit ihren Texten einklinkte. Für Arrangement und Montage traf sich das Trio im Studio, wo dann allerhand Effekt- und Mischgeräte zur Hand genommen wurden.
Gebündelte Erfahrungen vom Leben in Berlin
Ein interessantes Vorgehen, vor allem die akustische Vorarbeit. Sie macht erkennbar, dass die drei vom Jazz kommen. Fries und Koch studierten an der Jazzabteilung der Hochschule Luzern, der Genfer Liechti studierte Schlagzeug, ist aber auch als Produzent aktiv. Fries und Liechti sind auch mit dem rein akustischen Quartett 22° Halo unterwegs, Koch mit der Luzerner Band The Great Harry Hillman. Als Trio Vsitor bündeln die drei ihre Erfahrungen und verarbeiten damit ihr bewegtes Leben in Berlin, von dem sie nun auf einer Schweiz-Tournee berichten.
Konzerte
Fr, 3.5., 22.00 Südpol Luzern (Album-Taufe)
Sa, 4.5., 21.00 Bahnhof Bruggen St. Gallen
Fr, 10.5., 21.00 Werkk Baden AG
Sa, 11.5., 20.30 Mehrspur Zürich
Sa, 18.5., 20.30 Badhüsli Basel
So, 2.6., 20.30 Progr Bern
CD/LP
Vsitor
Keep On Running
(Red Brick Chapel 2019)