Gerade mal einen Song brauchten Alois, um beim Zürcher «Reise reise»-Festival alle Bedenken zu zerstreuen. Bedenken, ob sie die hohen Erwartungen erfüllen oder sich wie andere Psychedelic-Pop-Bands selbst auf der Bühne begraben. Allesamt Kapellen, die hochgelobte, mit technischen Spielereien gespickte Alben veröffentlichen. Oft entstehen diese im Studio aus einzeln aufgezeichneten Tonspuren, die sich wunderbar manipulieren und arrangieren lassen – die anspruchsvolle Live-Umsetzung vor Publikum aber kann gewaltig schiefgehen.
Spätsommerlicher Sound voller Wärme
Auch Alois aus Luzern geizen nicht mit Effekten für Gesang und Instrumente, doch an Bühnenerfahrung und technischen Fertigkeiten mangelt es ihnen keinesfalls. Mit stoischer Ruhe spielt sich das Quartett durch sein Debütalbum «Mints», das mit eingängigen Melodien, hallenden Flächen und dahintrottenden Drums zwischen Krautrock, Shoegaze, Psychedelic- und Dream-Pop flimmert. Ob sie mit verspielten Riffs à la Mac DeMarco vorwärtsgrooven oder in gemächlich-verträumte Melancholie verfallen: Dieser warme Sound lässt die spätsommerliche Sonne nochmals strahlen.
Spitzbübische Ansagen kontrastieren bei den jungen Musikern mit einer souveränen Performance an den Instrumenten. Kaum verwunderlich bei ihrer Vergangenheit an der Jazzschule Luzern, wo sich für das Bachelor-Projekt des Gitarristen Martin Schenker zuerst ein Trio aus Bass, Gitarre und Schlagzeug zusammenfand. Mit den ersten Songs des Gitarristen wurde kurzum dessen Pseudonym – eine Reverenz an den Film «Faulheit oder Der hinkende Alois» – übernommen. Unerwartet heftig feierten Radiostationen den instrumentalen Dream-Pop der Nobodys, als 2015 die EP «Yesterdaydream» entstand.
Des Erfolgs wegen im selben Stil weiterzumachen, kam für die experimentierfreudige Band nicht infrage. Florian etwa werkelt nebenher mit Perkussionist Lukas Weber beim Quartett Gaia an elektronischer Musik. Entsprechend leicht fiel die Entscheidung, Weber ins Boot zu holen. Und was spricht eigentlich gegen Synthesizer-Melodien?
Kreativer Stillstand ist bei Alois ein Fremdwort. Spätestens seit Martin im Studio freundlich dazu gedrängt wurde, seine Texte ins Mikrofon zu hauchen, sind jegliche Jazz-Konventionen vergessen. Wäre da nur nicht dieser Perfektionismus, welcher den Aufnahmeprozess von «Mints» in eine Sisyphus-Arbeit verwandelte: Unzählige Instrumente- und Gesangsspuren wurden aufgezeichnet, gelöscht, bearbeitet und meist für nicht gut genug befunden. So kann ein am Computer aus jahrealten Samples und Spuren entstandener Song für ungenügend erklärt werden und muss zwingend neu aufgezeichnet werden. Kaum sind Lyrics über diese Aufnahme gesungen, fällt der Band auf, dass es nicht mehr groovt, und alles geht von vorne los. Trotz aller Kehrtwenden zieht sich ein feiner roter Faden durch die eigenständigen, verträumten Songs, der als hauchzarte Stimmung beim Publikum die Laune hebt.
Live
Fr, 15.9., 21.00Perlaton Festival, Stall 6 Zürich
Fr, 29.9., 21.00Plattentaufe, Südpol Luzern
CD
Alois Mints
(Red Brick Chapel/ Irascible, ab 29.9.).