Sounds - Songpoesie eines Altersweisen
Mit 77 Jahren meldet sich der Liederpoet Leonard Cohen zurück. Nach langen Jahren der Schaffenspause legt er mit dem Album «Old Ideas» ein würdiges Alterswerk vor.
Inhalt
Kulturtipp 03/2012
Urs Hangartner
Das mit Spannung erwartete Comeback-Album «Old Ideas» enthält zehn Songs von zusammen einundvierzigeinhalb Minuten Dauer. Entstanden ist ein Alterswerk, durchdrungen von viel Abgeklärtheit und Weisheit. Und verdichtet in geradezu existenziellen, aufs Ganze gehenden Songs.
Leonard Cohen ist zeitlebens sängerisch nie gross aufgefallen. Auf «Old Ideas» ist er mehr dem Sprechgesang als einem eigentlichen Singen verpflichtet. Zu minimalistischer B...
Das mit Spannung erwartete Comeback-Album «Old Ideas» enthält zehn Songs von zusammen einundvierzigeinhalb Minuten Dauer. Entstanden ist ein Alterswerk, durchdrungen von viel Abgeklärtheit und Weisheit. Und verdichtet in geradezu existenziellen, aufs Ganze gehenden Songs.
Leonard Cohen ist zeitlebens sängerisch nie gross aufgefallen. Auf «Old Ideas» ist er mehr dem Sprechgesang als einem eigentlichen Singen verpflichtet. Zu minimalistischer Begleitung geht er mit seinem rauchigen Bariton oft ganz tief hinunter; so tief, dass er die unteren Töne kaum mehr präzise trifft. Intonationsprobleme heissen solche Treffunsicherheiten. Man sieht es ihm nach, schliesslich ist hier der verdiente, in Würde gealterte grosse Leonard Cohen am Werk.
Unaufgeregt
Langsam wie sein Schaffenstakt sind auch die Songs selber. Nicht unbedingt gemächlich, sondern in eindringlichem, unaufgeregtem Tempo, das der Liederlyrik Platz einräumt. Die Instrumentierung ist gewohnt schlicht: Ein Piano, eine Orgel, für einen Refrain mal zarte, leicht säuselnde Frauenstimmen, in einem Zwischenspiel eine einsame Geige. Sparsam eingesetzte einzelne Klangtupfer von weiteren Instrumenten. Und eben die Stimme des Meisters, der auf unverwechselbare Art seine Lyrics intoniert, die in diesem Fall tatsächlich lyrisch sind. Er ist ja von Haus aus Poet und Prosaist.
Der Mann hat erst mit 33 Jahren als Musiker debütiert. Und nun sind sieben Jahre vergangen seit seinem letzten Studioalbum «Dear Heather». Das ist nichts Untypisches für den einflussreichen Liedermacher. Leonard Cohen gilt als langsamer Schaffer. Das neue Album «Old Ideas» mitgerechnet, hat er seit seinem Einstieg im Jahr 1967 nur ein Dutzend Alben eingespielt. Zusammengezählt sind es 116 Songs aus des Singer-Songwriters-Feder, mit einer Gesamtlänge von knapp neun Stunden Musik.
Schmal, aber wichtig
Ein wichtiges Œuvre ist sein neustes Album bei aller Schmalheit dennoch, weil es etliche stilbildende Songs umfasst. Songs, die erratisch dastehen im Pop-Kontext, mit Einflüssen auf so manch Nachgeborenen. «Suzanne», «Bird On The Wire», «Hallelujah», «I’m Your Man» sind nur einige Beispiele von Klassikern, die Cohen geschaffen hat.
Seine Depressionen führten immer wieder dazu, dass von Platte zu Platte so viel Zeit verstreicht: «Man kann untergehen oder es durchstehen dank Kunst und Religion», hat Cohen schon vor Jahren einem amerikanischen TV-Sender erklärt. Nicht das Leiden an der Krankheit selber könne Grund für Kreativität sein – «die Inspiration für ein gutes Werk entsteht trotz des Leidens».
Grund für seine Schaffenspausen ist auch, dass Cohen sich immer wieder für längere Zeit in ein buddhistisches Kloster zurückzieht. Wobei er sein Judentum nicht aufgibt und den Buddhismus als Lehre für das Diesseits versteht. Ganz diesseitig auch das böse Erwachen vor sechs Jahren, als er, vom Kloster in die Welt zurückgekehrt, mit Schrecken feststellen musste, dass seine Managerin sein ganzes Konto leer geräumt hatte.
[CD]
Leonard Cohen
Old Ideas
(Columbia/Sony 2012).
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