So etwas hatte man bis dahin noch kaum gehört und gesehen. Inmitten eines vollgepferchten Bühnenbilds aus Instrumenten bekannter und unbekannter Art tummelten sich zwei aufgekratzte junge Frauen in grellbunten Klamotten. Ihr Gesang und ihr multiinstrumentales und elektronisches Spiel war entsprechend entrückt, das Publikum durchwegs entzückt. Eclecta nannten sich die Zürcherinnen Marena Whitcher und Andrina Bollinger und bereisten ab 2015 fünf Jahre lang Clubbühnen und Festivals im ganzen Land.
«Die Stimme ist mein wichtigstes Instrument»
Wenn Andrina Bollinger, die jüngere der beiden schrillen Ladys von damals, heute auf der Bühne steht, ist diese vergleichsweise leer und praktisch unverkabelt. «Ich bevorzuge das analoge Spiel», sagt die 31-jährige Engadinerin, die seit ihrer Jugend in und um Zürich lebt. «Wichtig ist mir das Zusammenspiel mit Kolleginnen und Kollegen und die Energie, die daraus entsteht.» Bollinger hat 2015 ihren Gesangs-Master an der ZHdK gemacht. Obwohl sie bei Eclecta und anderen Projekten mit allerlei Spielbarem experimentierte und sich bis heute an Piano, Gitarre und weiteren Kleininstrumenten begleitet, betont sie: «Die Stimme ist mein wichtigstes Instrument.» Und ihr Alleinstellungsmerkmal. Bollinger singt auf eine betörende Weise natürlich und zugleich kunstvoll: einlullend und aufwühlend, zärtlich und schrill, bodenständig und sirenenhaft. Als Vorbilder nennt sie Björk und Thom Yorke oder die Jazzsängerin Nina Simone. Wichtige Impulse habe sie im Studium erhalten: «Marianne Racine habe ich die Basis des Jazzliedguts und der Improvisation zu verdanken, Andreas Schaerer die Lust am Experiment.»
Freude an der stilistischen Vielfalt
Diese Freude hat Andrina Bollinger beibehalten. Ebenso ihre stilistische Offenheit, die etwa zu Zusammenarbeiten mit dem französischen Electrojazzer Erik Truffaz, dem Zürcher Posaunisten Michael Flury oder Poptüftlerin Ingrid Lukas führte. Bollinger arbeitete mit dem LAB junges Theater Zürich und schrieb den Soundtrack für Nathalie Davids Dokfilm «Harald Naegeli – Der Sprayer von Zürich». Im Duo JPTR mit Drummer Ramón Oliveras erkundet sie das Zusammenspiel von Stimme und Perkussion. Im Herbst nun wird das erste Album unter eigenem Namen erscheinen: «Seit drei Jahren fokussiere ich mich auf mein Soloprojekt und meine Band.» Zu dieser gehören der Drummer Arthur Hnatek und Bassist Jules Martinet. Einen Vorgeschmack auf «Secret Seed» (ab 14.10. bei Mouthwatering Records) gibts an einer Reihe von Sommerkonzerten. Mit Jazz, den Andrina Bollinger einst studierte, hat ihre Musik nur noch am Rande zu tun. «Ich glaube nicht, dass sich ein Konzertpublikum interessiert, ob sich meine Musik Jazz oder Avantgarde, Indie oder Pop nennt.» Die CD-Taufe findet im Oktober im Zürcher Moods statt: «Als Happening mit Gästen und spezieller Raumgestaltung.»
Andrina Bollinger
Fr, 5.8., 21.30, BeJazzSommer Bern
Fr, 12.8., 20.00, Kammgarn Schaffhausen
Sa, 13.8., 20.45, Musikfestwochen Winterthur
Sa, 20.8., 20.30, Été sous les Marronniers Nyon VD
Do, 20.10., 20.30, Moods Zürich (CD-Taufe)
www.andrinabollinger.com