Stefanie Stauffacher? War das nicht diese ewig junge Linksextreme, die den Schwarzen Block anführte? Mitnichten. Und doch würden sich Lukas Marty und Lara Stoll wohl diebisch über diese Verwechslung freuen. Ihre Band Stefanie Stauffacher könnte als kleine Schwester von Andrea durchgehen, wie die eigensinnige Revoluzzerin richtig heisst.
Tatsächlich haben sie sich zum skurrilen Bandnamen eine Geschichte erdacht. Sie handelt von einer Stefanie aus dem Thurgau, die nach Zürich abhaut, dort Goth entdeckt, Teenie-Punk wird und am Stauffacherplatz musiziert. Geografische Parallelen gibt es: Stoll stammt aus dem Thurgau, Marty aus dem sankt-gallischen Wil.
Angstfrei über Genregrenzen
Nun veröffentlichen die Wahl-Zürcher ihr Debüt-Album «Stefanie». Frech, ungestüm und überraschend klingt es. Stilistisch verorten lässt es sich kaum. Mit einer Art «Goth-Hip-Hop-Wave-Eurodance-Synth-Pop» wurstelt sich die Band angstfrei über Genregrenzen und schielt dabei zurück in die 80er, zur Neuen Deutschen Welle und zu Wave-Bands wie New Order. Der elektronische Beat stapft meist im 4/4-Takt, dazu singt Songschreiberin Stoll absurde bis dadaistische Texte. Das kommt nicht von ungefähr: Die 33-Jährige bringt ihr Publikum als Slam Poetin und Filmemacherin schon ihr halbes Leben lang zum Lachen – und auch mal zum Leer-Schlucken. 2020 wurde sie für ihr Schaffen als «Poetry Punk» gar mit dem Salzburger Stier ausgezeichnet.
Das drückt in den Songs durch. Mal wird der Grünen-Politiker Balthasar Glättli aufgefordert, die Welt zu retten, dann wieder fragt Stoll in Deichkind-Manier: «Wo ist die Diskothek? / Wo ist der Bäcker? / Muss ich einen Skipass lösen? / Hat dieser Film englische Untertitel?» Singen traute sie sich lange nicht zu. Erst mit der Punk-Band «Pfffff», bei der beide sich früher austobten, überwand sie dies. Schreckliche Konzerte hätten sie damals gespielt, erzählt Stoll. Und sie wurden nicht ernst genommen. Weder von Punks in besetzten Häusern noch von befreundeten Zuschauern. «Wir werden bis heute oft als Klamauk abgetan, auch wenn es uns mit der Musik ernst ist», sagt Stoll.
Vor Ironie triefende Texte und kraftvolle Beats
Zu Unrecht: Zwar klingt ihr Debüt mit seinen vor Ironie triefenden Texten gewöhnungsbedürftig. Musikalisch aber überzeugt es mit kraftvoll-treibenden Beats. «Wir machen keine durchdachte Kopfmusik, sondern etwas, das aus dem Flow heraus entsteht», sagt Marty. Songs kreieren sie oft nach demselben Muster: Marty pröbelt an den Synths und Drummachines rum, Stoll sitzt am Laptop. Bis sie irgendwann sagt: «Stopp, das klingt geil, kann man das noch frecher machen?» Auf dieser Basis entsteht intuitiv ein Klanggerüst, über das Stoll ihre Texte legt.
Erfolgsdruck kennt Stefanie Stauffacher nicht. «Als ambitionierte Hobbyband befinden wir uns in der privilegierten Situation, nur zu spielen, wenn das Bauchgefühl stimmt», so Marty. Statt verbissen den Erfolg zu suchen, soll alles im eigenen Tempo wachsen. 2020 wurde das Duo für die «Bad Bonn Kilbi» in Düdingen gebucht – der Ritterschlag für Alternativ-Bands. Leider machte die Pandemie ihnen einen Strich durch die Rechnung. Doch die Goth-Revoluzzer bleiben dran.
CD
Stefanie Stauffacher
(Blaublau Records 2021)