Oft benennen Bands ihr Debüt nach sich selbst. Florist sind da anders. Zehn Jahre und drei Alben wartete das Quartett, bis es sein viertes Werk mit «Florist» betitelt. Das neue Indie-Folk-Album begeistert als lyrisch und klanglich verspielter Sound- Trip. Am Stück gehört, breitet sich unweigerlich Ruhe und Wärme aus, die den Alltagsstress verblassen lassen.
Etliche Künstler lechzen nach kommerziellem Erfolg. Sie produzieren Songs so, dass diese möglichst oft gestreamt werden: unter zwei Minuten lang, kein Intro, direkt mit eingängigen Refrains. Geht die Rechnung auf, folgen Auftritte an grossen Festivals und hohe Gagen. Florist sind anders.
Und man nimmt es ihnen ab: Band- und Freundschaftsprojekt verschmel- zen bei ihnen unweigerlich. Jonnie Baker, Rick Spataro und Emily Sprague lernen sich 2012 im Norden des US-Bundesstaats New York kennen. Ein Jahr später stösst Felix Walworth zum Trio, der Umzug nach Brooklyn und erste Veröffentlichungen folgen.
Am Anfang steht klassischer Indie-Folk mit Gitarre und Gesang im Zentrum. Sanft, minimalistisch, zugänglich. Nach und nach kommen elektronische Effekte, Synthesizer und die damit verbundene Experimentierfreude dazu.
Songtexte mit viel Raum für Interpretation
Mit dem Album «Florist» krönt das Quartett nun seine musikalische Reise über ganze 19 Stücke. Rund die Hälfte davon sind rein instrumentale Klangexperimente. Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt die ungeschminkte Stimme von Lead- sängerin und Songschreiberin Emily Sprague.
Die 28-Jährige erklärte einmal, dass sie sich für Worte interessiere, «die mehr sind – wie ein Satz, der 100 Emotionen ausdrückt und 5 Worte lang ist». Ihre reduzierten, vermeintlich simplen Texte lassen viel Raum für Interpretationen.
Vögel zwitschern, Regen tropft
Als Nebenprojekt bastelt Emily Sprague mit Modular-Synthesizern elektronische Ambient-Tracks. Bereits mit 15 wird ihr bewusst, dass sie «durch das Arrangieren von Songs und das Manipulieren von Klängen bestimmte Emotionen erzeugen kann».
Geradezu therapeutisch wirkt denn auch die 2022 entstandene Florist-Platte: Für die Aufnahmen verkriecht sich die Band über einen Monat lang in einem gemieteten Haus im Hudson Valley: mitten in der Natur, rundum Wald, der Blick über die Synthesizer fällt direkt in dichtes Blattwerk.
Das wirkt sich auf die Klänge aus: Es knistert, Vögel zwitschern, Regen tropft. Immer wieder umspielen ungewohnte Geräusche und akustische «Fehler» Emily Spragues Gesang und die minimalistischen Melodien.
Zart, sphärisch, introvertiert, skizzenhaft: Der elektronisch-verspielte Indie-Folk fesselt – und entspannt zugleich: Beim Hören breitet sich ein Teppich der Ruhe aus, wie wenn über Nacht Schnee fällt und die Welt in Watte packt.
Konzerte
Mi, 11.1., 21.00, Bad Bonn Düdingen FR
Do, 12.1., 21.00 Bogen F Zürich
CD
Florist
Florist (Double Double Whammy 2022)