Sounds: Ekstatische Achterbahnfahrt
Unknown Mortal Orchestra ist für psychedelische Indie-Ohrwürmer bekannt. Mit «IC-01 Hanoi» liefert es anspruchsvolle Skizzen zwischen Jazz und Kraut-Rock.
Inhalt
Kulturtipp 24/2018
Jonas Frehner
Mal blickt er zu Boden, mal lacht er verschmitzt, mal greift er sich an die Stirn und sagt: «Was rede ich hier bloss!?» Ruban Nielson, Mastermind hinter Unknown Mortal Orchestra, ist einer dieser sympathisch-verpeilten Typen, die ihr Innerstes in Songs und Interviews unvermittelt nach aussen kehren. Und er ist gnadenlos experimentierfreudig. Niemand hätte es ihm übel genommen, wenn er unspektakulär an den Erfolg der intelligenten Neo-Psychedelica-­...
Mal blickt er zu Boden, mal lacht er verschmitzt, mal greift er sich an die Stirn und sagt: «Was rede ich hier bloss!?» Ruban Nielson, Mastermind hinter Unknown Mortal Orchestra, ist einer dieser sympathisch-verpeilten Typen, die ihr Innerstes in Songs und Interviews unvermittelt nach aussen kehren. Und er ist gnadenlos experimentierfreudig. Niemand hätte es ihm übel genommen, wenn er unspektakulär an den Erfolg der intelligenten Neo-Psychedelica-Hits seiner letzten drei Alben angeknüpft hätte. Doch der 38-Jährige wollte raus aus dem Homestudio, raus aus Portland.
So tingelte der Sohn eines neuseeländischen Jazz-Trompeters und einer hawaiianischen Hula-Tänzerin durch Studios in Mexico City, Reykjavik, Portland, Auckland und Hanoi. In wandelbaren Besetzungen entstand dabei «Sex & Food» – ein rauschhaftes Album zwischen groovendem Soul-Rock, Indie-Pop und spaciger Psychedelica. Und ein trotz effektverzerrten Riffs und düsteren Lyrics oft herzerwärmendes Stück Musik, wie man es von ihm gewohnt ist.
Nun folgt auf dem Album «IC-01 Hanoi» mit einer sperrigen 30-minütigen Instrumental-Achterbahn das krasse Gegenteil. Lieblicher Gesang, reizvolle Melodien, klassische Songstrukturen: Fehlanzeige. Das als «Abfallprodukt» in den Phu Sa Studios in Hanoi entstandene Live-Album spiegelt Nielsons Idee, dem Soundtrack von Jimi Hendrix zum Vietnamkrieg nachzuspüren. Mit dem vietnamesischen Musiker Minh Nguyen, Vater Chris und Bruder Kody sind in Jamsessions Kraut-Rock-Skizzen gespickt mit düsteren Jazzelementen entstanden. Maultrommel, Saxofon und fernöstliche Klänge steigern sich zu hypnotischen Perlen.
Kaum verwunderlich, verweist die Band bei den chaotischen Skizzen auf Miles Davis und dessen kontroverse Fusion-Projekte. Wild und fordernd entwickelt das Album einen Sog, der Nielsons Genre-Offenheit zeigt. Led Zeppelin sei seine Lieblingsband, er höre aber auch Lo-Fi-House und Doom-Metal, sagt Nielson. In Neuseeland, wo er aufwuchs, seien die Szenen sowieso nicht separiert – das habe er erst in den USA kennengelernt.
Konzert
Mi, 14.11., 20.00
Rote Fabrik Zürich
CDs
Unknown Mortal Orchestra
IC-01 Hanoi
(Jagjaguwar 2018)
Unknown Mortal Orchestra
Sex & Food
(Jagjaguwar/ Cargo 2018)