1980 stirbt der Langzeitherrscher Josip Broz Tito in der damaligen Teilrepublik Slowenien. Im selben Jahr beschliessen ein paar Gymnasiasten in der Teilrepublik Bosnien-Herzegowina, eine neue Band zu gründen: Zabranjeno Pušenje (Rauchen verboten). Sie sollte die Musikgeschichte der Region verändern und wie keine andere für die goldenen Jahre, aber auch den Zerfall von Marschall Titos Jugoslawien stehen. Und sie zieht bis heute die Massen an.
Mitgründer der Subkultur «Neuer Primitivismus»
Begonnen hat alles beschaulich, in Sarajevo. Dort gingen einige Jungs im Quartier Koševo zusammen zur Schule und starteten eine Punkrock-Band. Der Stil lag im Trend. Nach Belgrad, Zagreb und Ljubljana entwickelte sich Anfang der 80er-Jahre auch in Sarajevo eine lebendige Rock-Szene. Die Musik von Zabranjeno Pušenje ist vielseitig.
«Doch um die wahre Bedeutung der Band zu erfassen, muss man ihre Texte verstehen», sagt Jan Dutoit. Er ist Fachreferent für Osteuropawissenschaften und Slawistik an der Universitätsbibliothek Bern. Die Lieder sind eigentliche Kurzgeschichten und erzählen von den Menschen, die in Sarajevo leben, oft von einfachen Leuten. Die Tragik dieser Leben besingt die Band satirisch, durchsetzt mit schwarzem Humor. Das war Teil eines breiteren Phänomens, des «Novi Primitivizam», des Neuen Primitivismus.
Diese Subkultur, die Zabranjeno Pušenje mitbegründete, drückte sich aus in Sketchen und in an Monty Python angelehntem Surrealismus. Bis heute legendär ist die damalige TV-Comedyshow «Toplista Nadrealista» (Topliste der Surrealisten), an der viele der Musiker mitwirkten. 1984 gelang der Band der Durchbruch in Jugoslawien mit ihrem ersten Studioalbum «Das ist Walter». Der Titel: eine Anspielung auf einen Partisanenfilm und Sarajevo.
Ein Teil des Erfolgs war der Tatsache zu verdanken, dass die Musikszene in Jugoslawien recht frei war und vom System sogar unterstützt wurde, obwohl viele Bands ebendieses kritisierten. Auch Zabranjeno Pušenje blickten kritisch auf Titos Reich. Dennoch: «Gegen den Sozialismus an sich war die Band nicht», so Dutoit, «lediglich gegen seine Auswüchse».
Frecher Spruch über Marschall Tito
Nur ein Mal gab es Ärger. Als 1984 an einem Konzert der Verstärker ausfiel, sagte Sänger Nele Krajlić (bürgerlich Nenad Janković): «Der Marschall ist verreckt.» Und ergänzte gleich: «Ich meine den Verstärker.» Trotzdem wurden danach Konzerte abgesagt und Lieder eine Zeit lang nicht mehr im Radio gespielt. Doch ins Gefängnis musste niemand, die Band veröffentlichte weitere Platten.
Am letzten Album vor dem Krieg zeigte sich dann der prophetische Blick, den die Band für gesellschaftliche Entwicklungen hatte. In «Kanjon Drine» («Drina-Schlucht») heisst es: «Weck mich auf, das ist ein böser Traum (…) Die Chefs haben die Regionen unter sich aufgeteilt (…) Kinder werden mit Flugzeugen evakuiert.» Der Krieg machte auch vor Zabranjeno Pušenje nicht halt. Noch vor Ausbruch der Gewalt 1992 trennt sich die Gruppe.
Die gängigste Interpretation: unüberbrückbare politische Differenzen zwischen Gitarrist und Komponist Sejo Sexon (bürgerlich Davor Sučić) und Sänger Nele Karajlić. Letzterer zieht nach Belgrad und macht dort zunächst unter gleichem Bandnamen mit neuen Musikern weiter. «Der Leadsänger ist zu einem Nationalisten geworden», fasst Jan Dutoit zusammen. 1993 verbündete sich Karajlić mit dem serbisch-nationalistischen Filmemacher und Musiker Emir Kusturica unter dem neuen Namen «No Smoking Orchestra».
Die Band war weltweit erfolgreich und komponierte zum Beispiel ein dem Kriegsverbrecher Radovan Karadžić gewidmetes Lied. Und was ist aus dem Gitarristen und Songschreiber Sejo Sexon geworden? Der heute 62-Jährige singt beständig unter dem alten Bandnamen mit neuer Besetzung und im ursprünglichen Geist. Ein Geist, der bald schon in der Schweiz wehen wird. Die Band eingeladen hat Dino Šabanović, Programmleiter des Kulturzentrums Galvanik in Zug.
Er kennt Zabranjeno Pušenje, seit er ein Kind ist. Seine Eltern stammen aus Bosnien. «Wenn wir die Familie besucht haben, lief die Musik rauf und runter», sagt er. Die Texte mit dem kritischen Blick auf die Gesellschaft seien bis heute aktuell, findet er. Ähnlich sieht das Emina Konjalić. Die Slawistin, Historikerin und DJane wird nach dem Konzert in Zug auflegen. Für die gebürtige Bosnierin hatte die Musik der Band in ihrer Jugend eine wichtige Bedeutung. «Für mich war sie ein Weg, mit dem spezifisch bosnischen Humor und meiner Muttersprache in Kontakt zu bleiben.»
Museum für jugoslawischen Rock
Und wieso ist Zabranjeno Pušenje auch bei jungen Leuten so ungebrochen populär? Konjalić, Šabanović und Dutoit haben mehrere Antworten. Naheliegend: Weil die Musik schlicht gut sei. Aber auch, weil es Bands in Bosnien-Herzegowina heute schwer hätten, sich zu etablieren. Also orientiere man sich – zwangsläufig – an alten Grössen. Zudem spiele Nostalgie eine wichtige Rolle.
Seit 2021 gibt es in Sarajevo ein Museum für die jugoslawische Rockmusik, mitfinanziert von der Schweiz. Dort finden etwa Legenden wie Idoli, EKV, Bijelo Dugme, Azra und Haustor Platz. Und natürlich Sejo Sexon und seine Freunde, deren alte Platten seit einigen Jahren zu immer höheren Preisen gehandelt werden.
Konzert
Sa, 20.4., 21.00 Galvanik Zug
Album
Zabranjeno Pušenje
Karamba!
(Tropik 2022)