Mozart, Beethoven & Co. sind so ziemlich die Einzigen, die Souad Massi musikalisch nicht geprägt haben. In ihrem Elternhaus in Bab El-Oued, einem Quartier von Algier, lief Populärmusik verschiedenster Couleur. Massis Vater hatte ein Flair für die traditionelle algerische Musik, ihre Mutter für den grossen belgischen Chansonnier Jacques Brel und US-Funkmusiker James Brown. Früh begann die heute 39-Jährige mit dem Gitarrenspiel und trat mit dem Flamenco-Ensemble Triana d’Alger auf. Sie liebte aber auch Folk und Country. Mitte 20 startete sie mit der Hardrock-Band Atakor durch, begeisterte sich für AC/DC und Metallica. Doch die hoffnungsvolle Karriere fand mit dem Beginn des Bürgerkriegs in Algerien ein jähes Ende.
Durchbruch in Paris
«Es war zu jener Zeit schwierig, als Frau Musik zu machen. Die islamischen Fundamentalisten akzeptierten so etwas nicht», sagte Massi einmal in einem Interview. Sie begann, sich wie ein Mann zu kleiden, schnitt sich die Haare. Doch die Lage wurde für die Sängerin und Gitarristin immer schwieriger, zusätzlich schlossen immer mehr Musiklokale ihre Tore. Also beschloss die studierte Ingenieurin schweren Herzens, sich ganz ihrem Brotjob als Stadtplanerin zu widmen. Doch 1999 erhielt Massi unerwartet die Chance, zur Musik zurückzukehren. Sie wurde ans Musikfestival «Femmes d’Algérie» in Paris eingeladen – eine Einladung, die sie später als «persönlichen Durchbruch» bezeichnete – und liess sich in Frankreich nieder.
Auf ihren diversen Soloalben hat Massi über die Jahre die verschiedenen musikalischen Einflüsse verarbeitet, die sie geprägt haben. Ihr Erstling «Raoui» (2001) verknüpfte algerische Tradition mit Rock, «Deb» (2003) brachte zusätzlich Flamenco, afrikanische Klänge und Chanson ins Spiel. Das Album wurde nicht nur in Frankreich ein Renner, es verhalf Massi auch zu internationaler Bekanntheit – interessanterweise besonders im angelsächsischen Raum. «Mesk Elil» (2006) wiederum war sehr von maghrebinischen Melodien und Harmonien geprägt, ihr aktuelles Album «Ô Houria» (2010) hingegen weniger denn je. Massi gibt sich darauf als Singer-Songwriterin und Chanson-Sängerin zugleich, singt Balladen, aber auch ein rockiges Duo mit dem französischen Chansonnier Francis Cabrel, macht prägende Anleihen bei Country und Folk. Manche Kritikerinnen und Kritiker werfen ihr vor, sie setze zu sehr auf Eingängigkeit und vernachlässige die nordafrikanische Komponente ihrer Musik.
«Musik eint»
Doch was bei anderen tatsächlich auf kommerzielles Kalkül zurückgehen könnte, wirkt bei Massi authentisch – genauso wie die Anliegen, die sie mit ihrer Musik verbindet. In einem Interview mit dem Fernsehsender France 2 sagte sie über ihr Album «Ô Houria» («Oh Freiheit»): «Man verteidigt Frieden und Liebe zu wenig. Es klingt vielleicht ein bisschen naiv, aber ich möchte das tun.» In einem sehr unpathetischen Sinn versteht sie ihre Musik als Beitrag zum Frieden: «Musik ist ein Mittel, um Menschen zu einen.»
Massi mit ihren sensiblen Texten, ihrem häufig zärtlichen, intimen Gesang, ihrer leicht melancholischen, aber nie kitschigen Ader ist schlicht und einfach – Massi. Oder, wie es der Westdeutsche Rundfunk WDR einmal treffend auf den Punkt brachte: «In den Bann der Musikerin schlägt nicht die Exotik, sondern die Individualität ihres Ausdrucks.»
[CD]
Ô Houria
(Pop UM-France
2010).
Live Acoustique
(Pop UM-France
2007).
Deb
(Pop UM-France 2003).
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