Sophie Calle: Die Lust an der Lücke
Das Schaffen von Sophie Calle dreht sich immer wieder um die Darstellung von Abwesendem. Das Fotomuseum Winterthur zeigt fünf Werkgruppen der französischen Konzeptkünstlerin.
Inhalt
Kulturtipp 13/2019
Letzte Aktualisierung:
14.06.2019
Simon Knopf
Sophie Calles ganze Karriere fusst gewissermassen auf einer Art Mangel. Nach sieben Jahren auf Reisen war der Französin nämlich das Gefühl für ihre Heimatstadt Paris abhandengekommen. Also begann Calle 1979, sich die Metropole wieder vertraut zu machen, indem sie diese durchwanderte. Auf ihren Erkundungstouren fotografierte sie wildfremde Menschen: ihr erstes Kunstprojekt.
Seither hat sich die heute 65-Jährige international als ungewöhnliche Fotog...
Sophie Calles ganze Karriere fusst gewissermassen auf einer Art Mangel. Nach sieben Jahren auf Reisen war der Französin nämlich das Gefühl für ihre Heimatstadt Paris abhandengekommen. Also begann Calle 1979, sich die Metropole wieder vertraut zu machen, indem sie diese durchwanderte. Auf ihren Erkundungstouren fotografierte sie wildfremde Menschen: ihr erstes Kunstprojekt.
Seither hat sich die heute 65-Jährige international als ungewöhnliche Fotografin und Konzeptkünstlerin etabliert. Calle beschattete und liess sich beschatten. Sie zerrte Privates wie Trauer und Trennungsschmerz in die Öffentlichkeit, spielte mit Selbst- und Fremdwahrnehmung, mit Wahrheit und Fiktion, und mit den Lücken dazwischen.
Besucher vor leeren Bilderrahmen
Um die Darstellung des Abwesenden geht es auch in Werkgruppen, die das Fotomuseum Winterthur in der Schau «Sophie Calle – Un certain regard» zeigt. Zu sehen ist zum Beispiel «Les aveugles» von 1986. Dafür befragte Calle blinde Menschen nach ihrem Bild von Schönheit. Die Antworten, die Porträts der Befragten und die Fotos, die Calle den Beschreibungen nachempfunden hat, zeigt sie als Ensemble. Mit spät Erblindeten arbeitete die Künstlerin in «La dernière image» von 2010. Hier wurden die Erinnerungen an den letzten visuellen Eindruck vor der Erblindung zur Inspiration für eine Fotoserie.
Für «Que voyez-vous?» von 2013 schliesslich fotografierte sie im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston Besucher vor leeren Bilderrahmen: Platzhalter für 13 gestohlene Kunstwerke. «Was sehen Sie?», fragte Calle die Betrachter jeweils. Aus den Antworten und Calles Fotos entsteht so etwas Neues – auch Leerstellen sind nicht einfach ein Nichts.
Sophie Calle – Un certain regard
Sa, 8.6.–So, 25.8.
Fotomuseum Winterthur ZH