Spektakulär ist ihre Kunst nicht, eher intellektuell. Dennoch – die Installationen der 45-jährigen Künstlerin Zilla Leutenegger sind sinnlich. Nicht auf den ersten Blick, aber beim längeren Betrachten drängen sich Bilder in den Kopf, Gedanken an eigene Geschichten, an die persönliche Vergangenheit. Leutenegger arbeitet mit Zeichnungen und Videos, oft führt sie beides zusammen wie in dem Werk «Il pullover che mi hai dato tu». In diese Installation kann man alle möglichen Geschichten hinein interpretieren; jeder Besucher wird sie persönlich einordnen.
Das Werk ist nun in ihrer neuen Ausstellung «Fairlady Z» im Burgdorfer Museum Franz Gertsch zu sehen. Typisch auch die in Beton gegossene Hose, die Leutenegger am 11. September 2001 trug (Bild rechts). Die Künstlerin lebte zu jenem Zeitpunkt in Manhattan und erlebte das Drama des World Trade Centers in der Nachbarschaft mit. Die Hose soll versinnbildlichen, dass die Menschen angesichts der Anschläge zu Beton erstarrten – ein fast alttestamentarisches Motiv.
Zilla Leutenegger gehört zu den prägenden Schweizer Künstlerinnen der mittleren Generation. Nach der Handelsschule und dem Besuch der Textilfachschule war sie in den 80ern als Einkäuferin in der Modebranche tätig. Später wechselte sie an die Hochschule für Bildende Künste und war Assistentin an der ETH im Bereich Video. Seit 1996 stellt sie regelmässig aus.
Interview
kulturtipp: «Fairlady Z» – was ist besonders fair an Ihnen?
Zilla Leutenegger: Das bezieht sich auf ein Auto der Marke Datsun, die Japaner erwiesen damit der Filmfigur aus «My Fair Lady» eine Reverenz. Das finde ich schön. Diese Frau gefällt mir als eine Zwischenfigur, die sich kaum einordnen lässt. Sie ist nicht supercool, aber trotzdem lebenstüchtig.
Sie betonen ja die Distanz zwischen Ihrer Kunst und Ihnen selbst – warum denn diese offenkundige Nähe mit «Fairlady Z»?
Ich setze damit auf meine Eigenständigkeit und das Alleinsein. Z weist auf Zilla, aber Zilla ist in diesem Zusammenhang eine Kunstfigur und hat nur am Rande mit mir selbst zu tun.
Sind Sie einsam?
Nein, es gibt ja diesen schönen Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Alleine zu sein, ist sehr wertvoll für mich. Und man kann ja auch einsam sein, wenn man nicht allein ist.
Was ist am Alleinsein so spannend – eine Art Selbstfindung?
Nein, aber man beschäftigt sich dann intensiv mit sich selbst und seiner Arbeit. Da gehört auch einmal Langeweile dazu. Gerade daraus, kann eine sehr gute Idee wachsen.
Bei aller Distanz zu Ihrer Arbeit, ein Werk wie «Il pullover che mi hai dato tu» erscheint mir sehr persönlich.
Wie meinen Sie das?
Der Betrachter denkt an die Erinnerung einer Liebesnacht, an eine zerbrochene Beziehung oder so ähnlich.
Dieser Pullover ist ja nur ein Requisit. Ich löse damit beim Betrachter eine Assoziation aus, man denkt an ein Erlebnis, zum Beispiel eine vergangene Liebe. Aber ich erzähle damit keine eigene Geschichte. Das Hotelzimmer führt bei jedem Betrachter zu einer anderen Erinnerung, so gebe ich kleine Hinweise, die beim Gegenüber etwas auslösen sollen.
Man bezieht es auf sich selbst, aber auch auf die Künstlerin.
Ich meine auf die Kunstfigur «Z», die das vermittelt. Und zwar in Form einer Zeichnung an der Wand und den beiden Requisiten, welche die Zeichnung räumlich erlebbar machen.
Sie haben den Angriff auf die Twin Towers am 11. September 2001 in New York hautnah erlebt. Sie sagten damals, dieses Erlebnis lasse sich künstlerisch nicht verarbeiten. Jetzt zeigen Sie einen Betonabguss der Jeans, die Sie damals getragen haben.
Ich habe in meinem Kasten viele Kleider, die einen Bezug zu einem bestimmten Tag in meinem Leben haben – wie alle andern Leute auch. Dazu gehört diese Jeans, die ich damals getragen habe. Jeder weiss, wo er an jenem Tag wie in Beton gegossen das Unglaubliche mitverfolgte, vor Ort oder am Fernsehen. Es geht also darum, wie kann man eine Biografie in Kleidern darstellen?
Sie sagen auch, dass Kunst nicht politisch sein kann. Das heisst, Sie wollen keine Botschaft verbreiten. Warum eigentlich nicht?
Meine Kunst ist unpolitisch, aber es gibt Künstler, denen politische Aussagen sehr wichtig sind. Für mich stehen beispielsweise weibliche Figuren einfach für sich, man kann diese feministisch interpretieren. Aber das ist nicht zwingend.
Damit nehmen Sie bewusst Missverständnisse in Kauf.
Ich spiele ja auch damit. Wenn ich in einem Video als Mann auf dem Mond in einen Krater pinkle, spiele ich ja mit Genderfragen. Ich bin künstlerisch ein Kind der 90er. Viele Frauen vor mir haben sich der Geschlechterfrage angenommen und den Weg vorgepfadet, beispielsweise Pipilotti Rist. Ich kann nicht noch einmal das Gleiche machen.
«Fairlady Z»
Sa, 8.3.–So, 31.8.
Museum Franz Gertsch Burgdorf BE