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Ein feines Musikgehör im Schlachtlärm an der Front: Das ist so schauerlich, wie es tönt. Aber der österreichische Violinist und Komponist Fritz Kreisler (1875–1962) konnte sein Gehör nützlich einbringen: «Indem ich das Aufblitzen und das Darübersausen der Granaten miteinander verglich, fand ich zu meiner Überraschung heraus, dass die russischen Geschosse dumpf klangen, während eine schrill klingende Granate von einem Aufblitzen eines unserer hinten stehenden Geschütze angekündigt wurde.»
Während der Gefechte des Ersten Weltkrieges lernte Kreisler die Tonabfolge der fliegenden Geschosse so genau kennen, dass er den Scheitelpunkt einer Flugbahn bestimmen konnte und damit die genaue Stellung des Feindes. Er wurde dazu auf Erkundungsmissionen geschickt. Diese Episode beschreibt Fritz Kreisler in seinen Kriegserinnerungen «Trotz des Tosens der Kanonen – Frontbericht eines Virtuosen», den er 1915 in den USA auf Englisch schrieb und der nun übersetzt wurde. Kreisler kam zu Kriegsbeginn an die Front nach Galizien und erlitt nach einem Monat eine schwere Verletzung, die ihn für weitere Einsätze untauglich machte. Ein Glück für ihn, er konnte damit seine Musikerlaufbahn fortführen.
Seine Aufzeichnungen sind von Menschlichkeit gezeichnet. Er hatte mitfühlenden Respekt vor dem Gegner. Wie fast alle Männer seiner Generation war Kreisler zwar ein Nationalist, der von der österreichischen Sache zu Beginn des Kriegs überzeugt war, ohne je fanatisch zu sein. Er erlebte die abgrundtiefe Enttäuschung 20 Jahre später, als er erkannte, dass sein Einsatz an der Front den Nationalsozialisten gleichgültig war. Kreisler und seine Frau überlebten in den USA.
Fritz Kreisler
«Trotz des Tosens der Kanonen»
140 Seiten
(Braumüller 2015).
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