«Wir alle fanden Musicals fürchterlich. Wir tun es noch heute», sagt Peter Zihlmann, Sänger und Komponist bei der Innerschweizer A-Cappella-Band Pagare Insieme. Und dennoch: «Zahltag», die neueste Inszenierung der fünf, ist ein Musical – ein ungewohntes allerdings. Es kommt ohne Instrumente oder Lichtshow aus, ohne aufwendiges Bühnenbild. Alles konzentriert sich auf den Gesang, auf ein paar dezente choreografische Gags und handfeste Action. Eigentlich ein Widerspruch, wie man auf den ersten Blick glauben könnte, der sich beim Sehen und Hören von «Zahltag» jedoch schnell auflöst. Ein Musical kann nämlich ohne Band oder Orchester perfekt über die Bühne gehen.
Zufall
Pagare Insieme dürfen mit Recht behaupten: «Wir haben das Format ‹A-Cappella-Musical› erfunden.» Natürlich spielt das Quintett ebenso bewusst mit dem Ruf des Musicals wie mit dem biederen Image von a cappella. «Wir kommen auf die Bühne und sind etwas bieder – um das dann ironisch zu brechen», erklärt Zihlmann (37). «Zahltag» ist bereits ihr drittes Musical.
Angefangen haben Pagare Insieme, wie so viele andere, mit dem Singen von bekannten Titeln. Mit Coverversionen haben sie ihre ersten Programme bestritten. Bis sie entschieden: «Wir machen etwas Eigenes.» Schliesslich wurden daraus diese aussergewöhnlichen, selbst geschriebenen Musicals. Eher zufällig, wie sich Peter Zihlmann erinnert: Seine «musical-schnulzigen Songs» fanden Anklang, da fand die Gruppe, man müsste eigentlich mal ein ganzes Musical schreiben.
Django mit Dollarsack
So zeigt sich das Mundart-Musical «Zahltag» mit dem Untertitel: «Fünf Stimmen für ein Gloria». Nach einem längeren «Vorspiel», bei dem sich die Sänger beraten, welche Art von Musik für Pagare Insieme wohl erfolgversprechend sein könnte, geht es zur Sache. Improvisation, Jodellied oder Rap werden ausprobiert, der Bühnenbeweis dafür, wie stilistisch vielfältig sie sich ausdrücken können. Im Western, für den sie sich entscheiden, kommt ein Fremder namens Django mit einem Dollarsack ins Kaff Gloria geritten. Die Bewohner beraten, ob sie ihn gescheiter ins Nachbardorf jagen sollen. Oder ihn freundlich aufnehmen und vom Geldsegen profitieren? Sie lassen sich gerne korrumpieren, bauen einen neuen Saloon mit schön klimpernder Honky-Tonk-Kapelle.
Dieser Western brilliert mit schönen Anspielungen auf aktuelles politisches Geschehen: Die Idee einer Pauschalbesteuerung des Fremden kommt auf, verbunden mit der Option, Gloria mit der benachbarten Gemeinde zu einer starken Region zu fusionieren. Die Kavallerie kommt herangaloppiert, im Saloon wird geprügelt, ein Pistolenduell geht in Zeitlupe über die Bühne. Die Helden dieses Sing-Westerns engagieren sich nicht für ein Halleluja, sondern für einen Sack voll Dollar – «mit formidablem Gesang, Witz und Verve», wie es in einer Würdigung der Premierenvorstellung von «Zahltag» heisst.
Das alles ist witzig und unterhaltsam – handwerklich bestens inszeniert. Schliesslich sind die meisten Beteiligten Profis, sei es mit einer Jazz-Ausbildung oder Ähnlichem. Sie selber bezeichnen ihr Musical gerne als «professionellen Blödsinn, mit dem man Geld verdienen kann». Ausschliesslich von ihrer Kleinkunst leben wollen und können alle fünf Sänger nicht. Sie arbeiten daneben als Lehrer, Dozenten oder Musiker.
Langlebige Sache
Pagare Insieme sind eine langlebige Sache. Der Kern kennt sich seit Gymi-Zeiten im luzernischen Sursee. Dort gab es «zwei tolle Gesangslehrerinnen, die uns mit klassischer Musik begeistern konnten», sagt Peter Zihlmann. Die Freude am stimmlichen Ausdruck ist ihnen seit Beginn 1999 geblieben. Es brauchte mehrere Jahre, bis sie mehr machen wollten, als einfach einmal pro Woche sowie an Geburtstagsfeiern oder Festen zusammen zu singen. Vor nunmehr zehn Jahren entschieden sie, die Musik professioneller anzugehen. «Man fängt irgendwann an, und irgendwann wird es ernst», beschreibt Peter Zihlmann den Karriereprozess der A-Cappella-Band. Es ist gut gegangen, bis zum heutigen Stand als Mundart-Musical-Interpreten im ureigenen Format.
Pagare Insieme: «Zahltag»
Fr, 10.4. 16.30, Schadausaal, KK Thun (Kurzauftritt)
Do, 7.5., 19.30 A-Cappella-Festival Appenzell, Aula Gringel
Infos: www.pagare.ch
Künstlerbörse Thun
Kleinkunst auf vielen Bühnen
An der 56. Schweizer Künstlerbörse in Thun präsentieren vom 9. bis 12. April Akteure und Ensembles aus dem In- und Ausland ihre aktuellen Produktionen. Aus dem Rahmenprogramm:
Chansonade
In der «Exposition» des KK Thun ist die Vielfalt der Schweizer Liedermacherszene zu hören. Darunter finden sich Altbekannte wie Sibylle und Michael Birkenmeier oder Esther Hasler, aber auch Junge wie das Zürcher Duo Ledermann Wernli.
10 x 10
Im Theater Alte Oele zeigen zehn Ensembles je zehnminütige Ausschnitte aus ihren Produktionen. Darunter etwa Brigitte Hirsig mit Märchen für Erwachsene.
Roulotte und Fahrieté
Auf der Piazza vor dem KK Thun stehen zwei mobile Bühnen für das Off-Programm bereit. Mehr Details dazu unter www.roulotte.ch und www.fahriete.ch
SRF-Börsenradio
Radio SRF 1 empfängt während der Börse in seinem mobilen Studio verschiedene Gäste. Am Sa, 11.4. um 13.00 sendet es eine Live-«Zytlupe» mit dem Slampoeten Simon Chen. Am Mi, 15.4. um 20.00 blickt SRF 1 in der Sendung «Spasspartout» auf die Künstlerbörse zurück.
Gastkanton Tessin
Aus dem diesjährigen Gastkanton reisen verschiedene Formationen an, unter anderen die Vox Blenii, das Duo Roberto e Dimitri oder das Teatro delle radici.
Künstlerbörse Thun
Do, 9.4.–So, 12.4., diverse Orte
Weitere Infos: www.ktv.ch