Simon Tolkien - Die Macht der Diamanten
Der britische Autor Simon Tolkien liefert mit dem Thriller «Der König der Diamanten» spannenden Lesestoff. Die Spuren führen den kauzigen Ermittler in die Nazi-Vergangenheit.
Inhalt
Kulturtipp 16/2012
Babina Cathomen
Der entflohene Häftling David Swain hat nichts mehr zu verlieren: Zwei Morde werden ihm angelastet, die Beweise sind erdrückend. Beide Male war er am Tatort anwesend, und das Motiv Eifersucht hat er selbst durch unbedachte Äusserungen untermauert. Keiner glaubt mehr an seine Unschuld – keiner, ausser Inspector William Trave.
Der britische Autor Simon Tolkien (siehe Box) führt in seinem neusten Thriller zurück ins Oxford der 60er. Sein Ermittler, Insp...
Der entflohene Häftling David Swain hat nichts mehr zu verlieren: Zwei Morde werden ihm angelastet, die Beweise sind erdrückend. Beide Male war er am Tatort anwesend, und das Motiv Eifersucht hat er selbst durch unbedachte Äusserungen untermauert. Keiner glaubt mehr an seine Unschuld – keiner, ausser Inspector William Trave.
Der britische Autor Simon Tolkien (siehe Box) führt in seinem neusten Thriller zurück ins Oxford der 60er. Sein Ermittler, Inspector Trave, ist ein Eigenbrötler, der sich auch mal von persönlichen Fehden ablenken lässt. Allerdings ist er mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ausgestattet. Und dieser gebietet ihm, allen Widerständen zum Trotz nach der unbequemen Wahrheit zu suchen.
Mord aus Eifersucht
Vorerst scheint alles logisch: Ethan Mendel musste sterben, weil er der neue Liebhaber der jungen, schönen Katja Osman war – eine unerträgliche Lage für deren Ex-Freund David Swain, der am Tatort gesehen wird. Swain wird des Mordes verurteilt und kommt ins Gefängnis. Zwei Jahre später bricht er aus – in ebendieser Nacht wird Katja Osman ermordet. Die fiebrige Suche nach dem mutmasslichen zweifachen Mörder Swain beginnt. Inspector Trave allerdings, der schon nach der ersten Verurteilung leise Zweifel hegte, beteiligt sich eher widerwillig daran. Stattdessen gräbt er in der Vergangenheit des reichen Onkels der Ermordeten, des Diamantenhändlers Titus Osman.
Erschwert wird die Spurensuche durch die Tatsache, dass Titus Osman mit Inspector Traves Frau Melinda liiert ist, von der er getrennt lebt. Nachdem der Inspector diesem in einem hitzigen Eifersuchtsanfall eine runterhaut, wird er vom Fall abgezogen. Der schmierige Macrae, der sich hauptsächlich mit unhinterfragten Ergebnissen profilieren will, wird auf den Fall angesetzt.
Trotz des privaten Chaos stöbert Trave weiter im Umfeld des reichen Osman-Clans und entdeckt immer mehr Ungereimtheiten in der Vergangenheit. Wie ist Titus Osman im Zweiten Weltkrieg, in dem er in Belgien angeblich Juden zur Flucht verholfen hat, zu seinem Reichtum gelangt? Welche Rolle spielt sein kalter Schwager Franz Claes und dessen spröde Schwester Jana, die ebenfalls in Osmans Haus wohnen? Als der mutmassliche Mörder Swain gefangen und zum Tode verurteilt wird, beginnt für Trave ein Wettlauf gegen die Zeit.
Historisches Wissen
Simon Tolkien führt die ausgelegten Fährten geschickt zusammen und hält in seinem Thriller die Spannung bis zum Schluss aufrecht. Dabei betreibt er keine Effekthascherei, sondern rollt die vergangenen Ereignisse – gespickt mit historischem Wissen – nach und nach auf.
Ihn selbst hätten Diamanten, die bei Menschen zu Korrumpierbarkeit und Versklavung führen können, seit jeher fasziniert, schreibt der Autor auf seiner Website. Und hier zeigt sich denn auch eine der wenigen Parallelen zum Fantasy-Werk seines Grossvaters J.R.R. Tolkien, bei dem mit dem Ring-Motiv ebenfalls ein Schmuckstück eine unwiderstehliche Macht ausübt.
Im Schatten des Grossvaters
Simon Tolkien tritt ein schweres Erbe an: Sein Grossvater J.R.R. Tolkien, der starb, als er 14 Jahre alt war, hat mit «Der Herr der Ringe» einen Fantasy-Klassiker geschaffen. In Interviews bekundet der Enkel Mühe damit, im Schatten des Grossvaters zu stehen: «Ich möchte etwas Eigenes schaffen und nicht nur als Enkel von J.R.R. Tolkien wahrgenommen werden.» Er sei bis 40 überzeugt gewesen, er selbst könne nicht schreiben. Darum habe er sich nicht einmal an eine Kurzgeschichte gewagt.
Dass durchaus Talent vorhanden ist, zeigte er 2002 mit dem Krimi «Final Witness» (auf Deutsch unter dem Titel «Gestohlenes Leben» bei Bastei Lübbe erhältlich). Danach machte er mit dem Thriller «The Inheritance» (2010) auf sich aufmerksam, in dem erstmals Inspector William Trave ermittelt. Im kürzlich auf Deutsch erschienenen Roman «The King Of Diamonds» löst der Inspektor seinen zweiten Fall, dessen Spuren wieder in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurückführen.
Simon Tolkien ist 1959 geboren und in der Nähe von Oxford aufgewachsen. Nach seinem Jura-Studium hat er als Strafverteidiger und Staatsanwalt gearbeitet. Mit seinem Vater Christopher Tolkien hat er sich wegen unterschiedlicher Auffassung zur Filmtrilogie «Der Herr der Ringe» zerstritten. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Kalifornien.
[Buch]
Simon Tolkien
«Der König der
Diamanten»
448 Seiten
(Klett Cotta 2012).
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