Simon Froehling - «Ganz oder gar nicht»
Zum Schreiben zieht sich Simon Froehling zuweilen auf eine einsame Insel zurück. Nun liest der schweizerisch-australische Autor am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt.
Inhalt
Kulturtipp 14/2012
Babina Cathomen
Stadt und Land, Liebe und Tod, Nähe und Distanz, Zärtlichkeit und Brutalität: Gegensätze wie diese interessieren den 34-jährigen Schriftsteller Simon Froehling beim Schreiben. Im Debütroman «Lange Nächte Tag» bewegen sich seine Figuren in der Zürcher Schwulenszene zwischen diesen Polen. Sein Protagonist Patrick erzählt darin von der amour fou mit Jirka, der sich kurz nach der ersten gemeinsamen Nacht mit HIV ansteckt. «Das Thema &...
Stadt und Land, Liebe und Tod, Nähe und Distanz, Zärtlichkeit und Brutalität: Gegensätze wie diese interessieren den 34-jährigen Schriftsteller Simon Froehling beim Schreiben. Im Debütroman «Lange Nächte Tag» bewegen sich seine Figuren in der Zürcher Schwulenszene zwischen diesen Polen. Sein Protagonist Patrick erzählt darin von der amour fou mit Jirka, der sich kurz nach der ersten gemeinsamen Nacht mit HIV ansteckt. «Das Thema ‹Krankheit› interessiert mich, weil es die Figuren zwingt, hinzuschauen und sich anders zu verhalten», sagt der Autor im Gespräch. «Dazu kommt, dass sich in meinem Umfeld einige mit dem Virus angesteckt haben. Beim Schreiben des Romans hat mich auch die Frage angetrieben, wie es zur Präventionsmüdigkeit gekommen ist.»
«Gute Plattform»
Inzwischen steckt der tätowierte Autor, der in Zürich lebt, mitten in der Arbeit zu seinem zweiten Roman: «Ebenfalls eine Krankheitsgeschichte, allerdings in ganz anderem Tonfall und mit einer anderen Erzählperspektive», wie er sagt. Froehling wird einen Auszug davon beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt lesen. Er schaut dem Lesemarathon mit positiven Gefühlen entgegen: «Ich sehe es vor allem als gute Plattform für Autoren – es ist ja selten, dass Literatur im Medium Fernsehen so intensiv stattfindet.» Und der Wettbewerbscharakter sei schliesslich Realität im Literaturbetrieb, wo es darum geht, Bücher zu verkaufen. An der Kritik der Jury, die harsch ausfallen kann, störe er sich nicht: «Die zuweilen aufgebauschte Kritik ist Teil des Unterhaltungsformats im Fernsehen. Aber bei meiner Arbeit im Theater und im Austausch mit Autoren im Literaturinstitut Biel habe ich gelernt, damit umzugehen.»
«Ganz oder gar nicht» lautet sein Motto. Darum hat er nach seiner Arbeit als Englischlehrer und Journalist die Karte voll aufs Schreiben gesetzt. «Für mich muss immer etwas auf dem Spiel stehen, das ergibt eine andere Energie beim Schreiben.» Zur Prosa ist er über Umwege gelangt: Am Anfang standen das Hörspiel und das Theater, für das er einige preisgekrönte Stücke geschrieben hat. Übersetzungen, Lyrik und Texte in Schweizerdeutsch sowie Englisch sind ebenso im Repertoire des schweizerisch-australischen Doppelbürgers zu finden. Die Zweisprachigkeit beeinflusst sein Schreiben: «Was die Knappheit meiner Sprache anbelangt, habe ich mich von den Angelsachsen inspirieren lassen.»
An seinen ersten Roman hat sich Froehling während seines Studiums am Literaturinstitut in Biel gewagt, wo er inzwischen als Gastdozent tätig ist. Was zuerst ein «gescheitertes Theaterstück» war, ist mit Ruth Schweikert als Mentorin zum viel gelobten Roman «Lange Nächte Tag» geworden. Mit Schweikert verbindet ihn inzwischen noch mehr: Die beiden arbeiten an einem Stoff für einen Spielfilm. Die Vielfältigkeit widerspiegelt sich auch in seinem Werk. Filmische Sequenzen sind seinen Theaterstücken eigen, während er im Roman mit dramatischen Mitteln arbeitet: «In dieser Durchmischung liegt für mich der Reiz.»
Zum Schreiben braucht der kosmopolitische Schriftsteller den Rückzug: Wie vor zwei Jahren, als er sich auf einer einsamen Insel im Atlantik ganz seiner Leidenschaft widmen konnte – der Sprache.