Silvina Ocampo/Adolfo Bioy Casares Mord im Sandsturm
Erschienen ist der Krimi «Der Hass der Liebenden» des argentinischen Ehepaars Silvina Ocampo und Adolfo Bioy Casares 1946. Nun liegt er erstmals in Deutsch vor.
Inhalt
Kulturtipp 01/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
Ein abgelegenes Hotel an der argentinischen Atlantikküste, ein Sandsturm, der die Gäste von der Aussenwelt abschneidet – und schliesslich ein Mord. Die Ausgangslage erinnert an die Krimis von Agatha Christie, in denen Miss Marple oder Hercule Poirot in einer geschlossenen Gesellschaft ermitteln und jeder ein Mord-Motiv hat. Bei Ocampo und Casares ist es ein Homöopath, der sich als Poirot betätigt – allerdings mit mässigem Erfolg. Und darin ist auch der Unt...
Ein abgelegenes Hotel an der argentinischen Atlantikküste, ein Sandsturm, der die Gäste von der Aussenwelt abschneidet – und schliesslich ein Mord. Die Ausgangslage erinnert an die Krimis von Agatha Christie, in denen Miss Marple oder Hercule Poirot in einer geschlossenen Gesellschaft ermitteln und jeder ein Mord-Motiv hat. Bei Ocampo und Casares ist es ein Homöopath, der sich als Poirot betätigt – allerdings mit mässigem Erfolg. Und darin ist auch der Unterschied erkennbar: Während sich Christies Detektive stets durch brillante Schachzüge auszeichnen, hat bei den beiden argentinischen Autoren durchaus die Ironie oder ein selbstreflexiver Blick auf das Krimigenre Platz. Wirkt doch der Protagonist oft reichlich eitel: «Die Ähnlichkeit meiner Gesichtszüge mit denen Goethes ist unverkennbar», stellt er etwa fest.
Mit Eifer macht sich der nach Arsenglobuli süchtige Homöopath auf eigene Faust auf Mördersuche, nachdem eine Krimi-Übersetzerin vergiftet in ihrem Zimmer aufgefunden wurde. Dabei driftet er ab in eine eigene Welt, wo sich Traum und Wirklichkeit zunehmend verschieben. Die bedrückende Atmosphäre im stickigen und von Fliegen bevölkerten Hotel, das durch den draussen tobenden Sturm langsam im Sand versinkt, tut ihr Übriges zu den gegenseitigen Verdächtigungen der Hotelgäste. «Wir waren in diesem Haus eingeschlossen wie in einem Schiff am Meeresboden oder, genauer gesagt, wie in einem U-Boot, das sich in den Grund gebohrt hat», vermeldet der Ich-Erzähler.
Auch wenn die Sprache heute manchmal altbacken oder pompös wirkt, bleibt die Spannung bis zum überraschend unspektakulären Schluss erhalten. «Der Hass der Liebenden» ist der einzige Roman, den Silvina Ocampo (1903–1993) und Adolfo Bioy Casares (1914–1999) in ihren 53 turbulenten Ehejahren gemeinsam geschrieben haben. Die beiden preisgekrönten Autoren, die zusammen mit Jorge Luis Borges die fantastische Literatur in Argentinien prägten, kommen aus verschiedenen literarischen Ecken: Sie hat sich vor allem durch Lyrik und Kurzgeschichten hervorgetan, er als Verfasser von (Kriminal-)Romanen. Dennoch gelingt das Experiment, das 64 Jahre später endlich in Deutsch zu lesen ist.
[Buch]
Silvina Ocampo/Adolfo Bioy Casares
Der Hass der Liebenden
189 Seiten
(Manesse 2010).
[/Buch]