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Er war oft ausser sich und wollte dies so. Als Mensch war Jürg Amann ein ruhiger, feinsinniger Zeitgenosse. Als Schriftsteller schlug er aber grosse Töne an. Keine lauten, schrillen oder überhöhten – grosse im Sinne kunstvoller Gestik. Oft eignete sich Amann Ton und Musikalität anderer, analysierter Kollegen an. Er schrieb wie Franz Kafka, wie Thomas Bernhard oder Robert Walser. Und geriet auf diese Weise ausser sich, um sich – mittels den Stimmen anderer – selbst zu bespiegeln.
Konkret funktionierte dies so: Jürg Amann schrieb biografisch über Robert Walser und wie dieser mit dem frühen Verlust seiner Mutter umgegangen ist. Und meinte damit auch sich selbst, seine eigene Mutter und seinen Umgang mit deren Verlust. Diese artifizielle Arbeitsweise führte zu Werken von hoher literarischer – und lesbarer! – Qualität. Amann war ein genialer Stilist und Meister einer rhythmisch klar komponierten Sprache. Dies beschied ihm frühe Erfolge. Mit der Erzählung «Rondo» gewann er 1982 – als 35-Jähriger – den Ingeborg-Bachmann-Preis und zählte fortan zwar nicht zu den erfolgreichsten, aber zu den wichtigsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren.
Auch «Rondo» nimmt die Mutter-Thematik auf, kombiniert sie aber mit weiteren Kernthemen Amanns: Randständigkeit, Einsamkeit, Tod. Ein Mann pflegt seine kranke Mutter und erlebt dabei verschiedene Phasen zwischen Zärtlichkeit und Aggression, Geborgenheit und Verzweiflung.
«Rondo», 14 Jahre später erst in einem Sammelband erschienen, wurde zu einer Art amannschem Ur-Text, den er mehrfach adaptierte, variierte und weiterspann bis hin zu seinem Werk «Mutter töten» von 2003. Jürg Amann schrieb schwierige, fordernde, oft schmerzhafte Texte. Sie werden fehlen.
Jürg Amann
«Rondo»
158 Seiten
Erstausgabe: 1996
Heute erhältlich bei Arche.
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