Über 15 Vorstellungen warten jeden Abend auf die Zürcher Theatergänger. Das Angebot reicht vom «Der Besuch der alten Dame» im Schauspielhaus über «How to sell a Murder House» im Theater Neumarkt bis zu «Azzuro» im Rigiblick. Dazu kommen all die Vorstellungen auf kleineren Bühnen wie etwa der Winkelwiese oder dem Sogar Theater. Der Besucherandrang ist unterschiedlich: So ist das Schauspielhaus unter der aktuell inspirierenden Leitung gut ausgelastet, muss aber wie alle andern laufend um neues Publikum kämpfen. Nischenbühnen wie das Sogar Theater mit seiner Verankerung in einem Quartier können sich zum Teil ebenfalls behaupten, andere haben es schwerer.
Frage der Perspektive
«Tendenziell sehe ich eher ein Überangebot», sagt Daniel Imboden, Theaterbeauftragter der Stadt Zürich. Das ist allerdings eine Frage der Perspektive, wie er betont: Zwar ist der Markt sehr gross und das Angebot breit gefächert, trotzdem klagen Theaterschaffende im Einzelfall immer noch über zu wenig Auftrittsmöglichkeiten. Tatsächlich weht in der Szene zurzeit eine eher steife Brise, zumal die jüngsten bürgerlichen Wahlerfolge härtere Verteilkämpfe erwarten lassen. So hat das Gemeindeparlament der Stadt Zürich zwar eine Reduktion des städtischen Beitrags an das Theater Winkelwiese knapp abgelehnt. Aber die Diskussion zeigte, dass Kulturkredite nicht mehr einfach glatt durchgehen. «Kulturgelder stehen unter verschärfter Beobachtung», konstatiert auch Patric Bachmann vom Aargauer Theater Marie.
In Bern wurde zwar kürzlich ein neuer Leistungsvertrag zwischen dem Konzert Theater und den Behörden ausgehandelt, hier stehen aber bauliche Veränderungen an: Konzert Theater und Kultur Casino stehen vor dem Umbau, so dass der Betrieb vorübergehend ausgelagert werden muss.
Sonderfall Basel
Speziell ist die Situation in Basel: Dort musste die Stadt diesen Herbst für den klammen Partnerkanton Basel-Landschaft einspringen. Basel wird ab 2016 über vier Jahre einen Betrag von insgesamt 80 Millionen Franken an den Nachbarkanton entgelten, damit dieser im Gegenzug neben anderen Leistungen wie bisher gemäss Kulturvertrag 10 Millionen Franken an städtische Institutionen mit Zentrumsfunktion zahlt. Bei den Subventionen fällt auf, dass das Theater Basel mit seinem Dreispartenbetrieb und seinen drei Bühnen mit Abstand höchster Subventionsempfänger ist. Er erhält jährlich 40 Millionen Franken, die freie Szene hingegen nur 1,165 Millionen Franken. Das schadet Letzteren laut dem städtischen Beauftragten für Tanz- und Theaterförderung Boris Brüderlin indes nicht: «Innovatives Theater hat hier gute Unterstützung und findet sein Publikum.» Aber es sei wie an anderen Orten eine Segmentierung des Publikums zu beobachten.
Hohes Niveau
Das hiesige Theaterleben bewegt sich auf einem erfreulich hohen Niveau, wie die renommierte Expertin Myriam Prongué von Pro Helvetia konstatiert. «Schweizer Inszenierungen werden regelmässig an die wichtigen Festivals eingeladen.» Sie denkt dabei an den erfolgreichen Regisseur und Autor Milo Rau oder an die Gruppierung Rimini Protokoll. Allerdings bekämen einzelne Bühnenkünstler den Wettbewerb zu spüren.
Ein wachsender Markt ist auf mehr Theatergänger angewiesen. Daniel Imboden hält es indes für ein «Schlagwort», neues Publikum in die Häuser zu bringen. Seines Erachtens sind etwa Leute mit Migrationshintergrund schon aus sprachlichen Gründen wenig bühnenaffin, auch wenn Theatermacher sich gerne zu diesem Publikumssegment bekennen: «Ohne Anpassungen der Macher ist eine Sensibilisierung neuer Besucher sehr schwer erreichbar und häufig nur ein oberflächliches Lippenbekenntnis.»
Eine Tabelle zur Theaterfinanzierung ohne Sponsoring und sonstige Einnahmen finden Sie im angehängten PDF.