Jazz hören und darüber sprechen: Schaffhausen bietet dem schweizerischen Jazzschaffen ein ähnliches Forum wie Solothurn der Literatur- und Filmszene. Alljährlich im Mai sind am viertägigen Festival aktuelle Schweizer Bands zu hören. Die Konzerte werden bis in alle Nacht und während der folgenden Tage diskutiert. Nach Schaffhausen reisen Musiker, Journalisten, Promotoren, Fans, man hört, sieht, trifft und kennt sich. Institutionalisiert werden diese Debatten zudem an den Schaffhauser Jazzgesprächen mit Referaten und Podiumsdiskussionen.
Internationaler Ruf
Die 24. Festivalausgabe klingt so international wie selten zuvor (siehe Kasten). Das verwundert nicht, geniesst das Schweizer Jazzschaffen doch hohes internationales Ansehen, wie auch die 10. Jazzgespräche deutlich machen. Fernsehen SRF 1 lädt zur Preview und Diskussion seiner neuen Dok-Staffel «Jazz in der Schweiz», die ab 26. Mai am TV zu sehen ist. In drei Teilen wird darin die Geschichte des Schweizer Jazz seit 1920 erzählt.
«Nach den Reihen zur Rock- und zur Populärmusik lag es nahe, den Jazz in der Schweiz zu dokumentieren», sagt Christian Eggenberger. Der Leiter Musik + Events bei SRF 1 hat die Dokfilme produziert und verrät: «Die Zusammenlegung der Musikredaktionen von Radio und Fernsehen SRF bietet ideale Voraussetzungen für ein so anspruchsvolles Projekt.»
Musik der Befreiung
Die drei gut 50-minütigen Dokumentationen schöpfen aus dem Vollen und kombinieren in dichter Dramaturgie Archivmaterial (Fotos, Ton- und Bildaufnahmen) mit aktuellen Interviews von Akteuren und Zeitzeugen. Jazzhistoriker Christian Steulet kommentiert die erste Schweizer Jazzplatte von 1920: «Elli Greens Rag» der Bauernkapelle (!) Meyer und Zwahlen. Denn Jazz war zuerst nur Tanzmusik. Neue Stücke lernte man ab 1923 übers Radio, erklärt SRF-Jazzchef Peter Bürli. Selbst Teddy Stauffer, Eddie Brunner oder Fred Böhler spielten ihre ersten Stücke nach Gehör, später wurden sie zu Stars und gastierten mit ihren Tanzbands in Berlin und Paris.
Oder an der Landi 1939, wo die geistige Landesverteidigung auch mittels Jazz von Teddy Stauffers’ Original Teddies zelebriert wurde. Ein Vierteljahrhundert später trat Jazz noch prominenter in Erscheinung: Rolf Liebermann hatte für die Expo 1964 in Lausanne sein Büromaschinen-Stück «Concert des échanges» komponiert. Die Jazzfassung dazu spielten – pionierhaft – George Gruntz und Pierre Favre.
Jazzpioniere hat die Schweiz eine ganze Reihe hervorgebracht. Der Basler Saxer Bruno Spoerri brachte zuerst den Bebop ins Land, später den Jazzrock. Als Computerjazzer hat er dann international für Furore gesorgt. Elsie Bianchi und Irène Schweizer haben mittels Akkordeon oder Schlagzeug nicht nur die Männerbastion Jazz erobert, wie sie in der Dokumentation erklären, sondern auch neue Töne angeschlagen. An eigene musikalische Wege erinnert sich auch der Zuger Trompeter Hans Kennel, der – wie George Gruntz – in den 60ern Jazz mit Volksmusik in Verbindung brachte. Die Luzerner Freddy Studer und Christy Doran erzählen von Jazzrock-Experimenten, Mathias Rüegg von seiner «zu bändigenden Chaotentruppe» Vienna Art Orchestra.
Sie alle kommen in der Dokumentation ausführlich zu Wort. Eher kurz gefasst und für die aktuelle Vielfalt des Schweizer Jazz stehend, werden im dritten Teil junge Exponenten wie die Schlagzeuger David Klein und Jojo Mayer oder die Sängerinnen Erika Stucky und Elina Duni aufgereiht. Eine gute Auswahl, aber eben nur eine Auswahl. Dazu Produzent Christian Eggenberger: «Es braucht zeitliche Distanz für eine geschichtliche Aufarbeitung.» Die Dokumentation von 100 Jahren Schweizer Jazz sei ein Kraftakt gewesen. «Um das erforderliche Know-how zusammenzubringen, haben wir drei jazzaffine Filmschaffende gesucht», so Eggenberger. Barbara Seiler, Jürg Gautschi und Beat Häner wurden fachlich vom langjährigen SRF-Jazzchef Peter Bürli beraten.
Es liegt für Eggenberger auf der Hand, dass die Dokumentation in Schaffhausen Vorpremiere feiert. «Wir haben nach der besten Plattform gesucht.» Diese sei das Schaffhauser Festival.
24. Schaffhauser Jazzfestival
Sichere Werte mit Gästen aus aller Welt: Für einmal setzt die «Werkschau des Schweizer Jazz», als die sich das Schaffhauser Festival versteht, auf bekannte Namen mit international besetzten Bands. Perkussionist Lucas Niggli spielt mit Tubist Michel Godard (F) und Akkordeonist Luciano Biondini (I). Der Genfer Pianist Michel Wintsch mit Bläser Michael Moore, Gitarrist Terrence McManus und Drummer Gerry Hemingway (USA). Posaunist Samuel Blaser aus La Chaux-de-Fonds tritt mit Gitarrist Marc Ducret (F) und Drummer Peter Bruun (DK) im neuen Trio an. Und die Berner Sängerin Susanne Abbuehl präsentiert ihr neues ECM-Album mit Pianist Wolfert Brederode (NL) und Drummer Olavi Louhivuori (SF). Mit ihren aktuellen Bands spielen unter anderen Pianist Christoph Stiefel, Posaunist Yves Massy, Drummer Fredy Studer und Pianist Yves Theiler. (fn)
Konzerte
Mi, 22.5.–Sa, 25.5.
Kammgarn, TapTab,
Haberhaus, Kreuzgang
Allerheiligen Schaffhausen
www.jazzfestival.ch
Am Radio
Fr, 24.5., 20.00 SRF 2 Kultur
WHO + 2, Susanne Abbuehl, Christoph Stiefels Isorhythm Orchestra live vom Schaffhauser Jazzfestival
Alle Konzerte werden im Laufe des Jahres ausgestrahlt
Jazz in der Schweiz
Preview am Schaffhauser Jazzfestival
Do, 23.5.–Sa, 25.5., 17.00
Haberhaus Schaffhausen
Mit anschliessenden Diskussionen
Ausstrahlungen auf TV SRF 1
So, 26.5., 23.25: Vom Tanzstück zum Kunststück
So, 2.6., 23.25: Der eigene Weg
So, 9.6., 23.15: Zwischen Aufbruch und Tradition