Schweizer-Film - «Auch ‹Sennentuntschi› verdient eine attraktive Sendezeit»
Das Schweizer Fernsehen lanciert einen dritten Sendeplatz für Schweizer Kino- und Fernsehfilme. Der Mittwoch auf SF 2 wird in «sportfreien» Wochen zum Kinoabend. Urs Fitze, Leiter Fiktion bei SRF, erläutert die Hintergründe.
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Kulturtipp 20/2012
Frank von Niederhäusern
kulturtipp: Urs Fitze, Sie wollen mehr Schweizer Filme am Fernsehen zeigen. Gibt es so viele sehenswerte Produktionen?
Urs Fitze: Auf jeden Fall. Und es ist mir ein Anliegen, Filme, die wir mitproduzieren, am Fernsehen auch prominent zu zeigen.
Aber es gibt ja bereits zwei Sendeplätze.
Am Sonntagabend auf SF 1, unserem besten Sendeplatz überhaupt, zeigen wir die Highlights für ein Mehrheitspublikum. In erster Linie sind das eigenproduziert...
kulturtipp: Urs Fitze, Sie wollen mehr Schweizer Filme am Fernsehen zeigen. Gibt es so viele sehenswerte Produktionen?
Urs Fitze: Auf jeden Fall. Und es ist mir ein Anliegen, Filme, die wir mitproduzieren, am Fernsehen auch prominent zu zeigen.
Aber es gibt ja bereits zwei Sendeplätze.
Am Sonntagabend auf SF 1, unserem besten Sendeplatz überhaupt, zeigen wir die Highlights für ein Mehrheitspublikum. In erster Linie sind das eigenproduzierte Fernsehfilme und die «Tatort»-Reihe. Aber auch Kinofilme wie «Der Verdingbub» oder Xavier Kollers «Dällenbach Kari». Kleinere Produktionen oder Dokfilme sind in der «CH-Filmszene» am sehr späten Mittwochabend ebenfalls auf SF 1 zu sehen. Schweizer Filme, die ein jüngeres Publikum ansprechen, hatten bisher keinen Platz.
Und mit solchen können Sie einen wöchentlichen Sendeplatz füllen?
Nein, das sind keine 50 Filme im Jahr. Deshalb haben wir den Mittwochabend auf SF 2 gewählt, der gut zur Hälfte von Fussballspielen besetzt ist.
Und zur anderen Hälfte?
Bisher waren dort Hollywood-Filme zu sehen. Nun können wir 20 bis 25 Filme zeigen – für uns der ideale Sendeplatz.
Den Sprung auf SF 2 nehmen Sie in Kauf?
Der ist gewollt! SF 2 spricht das junge und urbane Publikum an, das wir erreichen wollen. Mit Filmen wie Peter Luisis «Sandmann» oder Cihan Inans «180°».
Zum Auftakt zeigen Sie aber Michael Steiners «Sennentuntschi», das ist eine grosse Kiste!
Ja, aber ein Film, der den Erwartungen für den Sonntagabend nicht gerecht wird. Zudem mussten wir mit Steiner eine entschärfte Fernsehversion schneiden. Dies aus Jugendschutzgründen, immerhin ist der Film um 20.00 Uhr zu sehen.
Weshalb zeigen Sie ihn denn nicht in der nachmitternächtlichen «CH-Filmszene»?
Weil «Sennentuntschi» ein Film von öffentlichem Interesse ist . Er verdient eine attraktive Sendezeit.
Schneiden Sie auch andere Filme für die Primetime zurecht?
Nein! «Sennentuntschi» ist eine Ausnahme.
Bisher haben Sie nur Filme erwähnt, die SRF mitproduziert hat. Werden am neuen Sendeplatz auch andere Schweizer Filme zu sehen sein?
Es werden grossmehrheitlich Filme sein, die wir mitproduziert haben. An guten neuen Filmen sind wir in der Regel beteiligt.
Wie «gut» muss denn ein Drehbuch sein, um SRF-Geld zu bekommen?
Bei Fernsehfilmen für den Sonntagabend auf SF 1 haben wir präzise Vorgaben. Diese Filme müssen mehrheitsfähig sein und eine emotionale Geschichte zur Lebensrealität in der Schweiz erzählen. Bei Kino-Koproduktionen ist unser finanzielles Engagement kleiner und unser Einfluss geringer. An solchen Projekten beteiligen wir uns, wenn sie zum Sendeplatz passen.
Also mehrheitsfähig sind?
Nicht nur. Wir unterstützen auch Spiel- und vor allem Dokumentarfilme, die künstlerisch wertvoll sind. Etwa Peter Liechtis «Sounds Of Insects», von dem wir annahmen, dass er kein Quotenerfolg wird, aber in der internationalen Festivalszene für Aufsehen sorgt. Prompt hat er den Preis für den besten europäischen Dokfilm gewonnen.
Liegen Sie immer richtig?
Naja, vom «Missen Massaker» hätten wir uns eine bessere Resonanz erhofft … Wobei es sein kann, dass Steiners Film am Fernsehen besser funktioniert.
Wie viele SRF-Koproduktionen gibt es jährlich?
Rund acht lange Kinospielfilme und 15 bis 20 Dokumentarfilme.
Aber acht Kinofilme reichen nicht für rund 20 Mittwochabende.
Genau, weshalb wir auch Reprisen besonders erfolgreicher Filme ausstrahlen werden. Etwa «Achtung, fertig, Charlie!», «Breakout» oder «Tell». Filme, die wir dereinst mit grossem finanziellem Aufwand mitproduziert haben. Der neue Sendeplatz basiert auch auf der wirtschaftlichen Überlegung, bestehende Filmrechte besser zu nutzen.
Mit Schweizer Filmen lässt sich doch kein Geld verdienen!
Es geht auch um Filmförderung. Die SRG hat den Auftrag, mit der unabhängigen Filmbranche der Schweiz zusammenzuarbeiten. Seit 1996 gibt es den «pacte de l’audiovisuel», eine regelmässig neu auszuhandelnde Vereinbarung zwischen der SRG und den Filmproduzentinnen und Filmproduzenten.
Eine aufgezwungene Zusammenarbeit also?
Früher war es ein «Müssen». Heute wird es beidseitig als Chance gesehen, die Zusammenarbeit hat sich zu einer Partnerschaft verbessert.
Ein Müssen? Woran hat das Schweizer Filmschaffen denn früher gekrankt?
In den letzten 20 Jahren hat sich der Schweizer Film allzu sehr mit sich selbst befasst. Es fehlten auch politische Filme, die Romandie ausgenommen. Ich bin aber zuversichtlich und glaube an die kommende Generation von Filmschaffenden. Unsere Aufgabe ist es, diese zu erkennen und zu fördern.
Am Mittwoch um 20.00 zeigt SF 2 künftig – in Ergänzung zu Übertragungen von Fussballspielen – CH-Filmproduktionen für ein junges, urbanes Publikum.