Schmachtender am Meeresufer
Der Arzt und Lyriker Volker Maassen hat mit «Bitterleichte Lyrik» einen heiteren Gedichtband herausgegeben.
Inhalt
Kulturtipp 13/2014
Karin Unkrig
Die Dichtkunst hat sich mit dem Aufbruch in die Moderne radikal gewandelt, vom Beschaulichen zum Abstrakten, zuweilen Kuriosen. Genau hier hakt Volker Maassens Lyrik ein. Mal kauzig und frivol, mal würzig und verschroben. Seine Texte halten sich weniger an das Versmass als an den Reim.
Die Gedichte in seinem neuen Band «Bitterleichte Lyrik» beruhen auf einer genauen Beobachtungsgabe. Sie beschwören geschickt eine Stimmung herauf – um den Leser augenzwinkernd...
Die Dichtkunst hat sich mit dem Aufbruch in die Moderne radikal gewandelt, vom Beschaulichen zum Abstrakten, zuweilen Kuriosen. Genau hier hakt Volker Maassens Lyrik ein. Mal kauzig und frivol, mal würzig und verschroben. Seine Texte halten sich weniger an das Versmass als an den Reim.
Die Gedichte in seinem neuen Band «Bitterleichte Lyrik» beruhen auf einer genauen Beobachtungsgabe. Sie beschwören geschickt eine Stimmung herauf – um den Leser augenzwinkernd den aufsteigenden Projektionen zu überlassen. An anderer Stelle, etwa den Liebesgedichten, verhindert eine Zeile humorvoll das Abgleiten in allzu viel Sentiment oder streut ein Gedanke raffiniert eine Prise Ironie in hochernste Angelegenheiten. So kann der Tod einem gar nicht drohen, denn «eh’ er bei dir ist, bist du schon tot».
Volker Maassen wuchs in Kiel auf, studierte Medizin und Psychologie in Kiel und Heidelberg. Seit 1971 praktizierte er als Gynäkologe an zahlreichen Kliniken. Heute führt er eine eigene Praxis in Hamburg. Maassen ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Von Lisa Maassen stammen die Illustrationen der väterlichen Gedichte im neuen Band.
Wer sich mitreissen lässt von der Lyrik Maassens, erfährt Erstaunliches über die Zärtlichkeit von Elefanten, weshalb Sonnenhungrige sich bei Regen aus dem Fenster lehnen sollten, was
Rezensenten vernichten, und warum Mönche nachts besser dichten.
Die Sehnsucht macht aus vernunftgesteuerten Köpfen zuweilen kopflose Wesen – in ihrem Verhalten Tieren nicht unähnlich. Diese Erkenntnis verpackt der Hamburger in liebenswerte Bilder. Nicht wertend oder belehrend, eher amüsiert: So hockt der Schmachtende am Meeresufer, träumt von ihrem Duft, möchte mit ihr in die Fluten tauchen.
Die Wellen schlagen über mir und dir zusammen
Die letzten Anemonen geh’n mir aus dem Sinn.
Ich werde nie den wahren Grund erlangen,
nur weil ich verliebt und kein Seehund bin.
Die Publizistin Barbara Sichtermann bemerkt am Ende ihres Vorworts passend: «Immer voller Mitgefühl mit uns armen, dummen, schönen, weisen, verrückten Menschentieren.»
Ärzte als Poeten haben Tradition, man denke etwa an Gottfried Benn oder Paul Fleming. Der Beruf verschafft Nähe zu Menschen. Die damit einhergehenden Erfahrungen spiegeln sich besonders im letzten Kapitel von Maassens Band. In einer Art Selbstgesprächen lässt der Autor Lust und Laster Revue passieren. Womit die Frage nach einem «guten» Gedicht beantwortet wäre: Es fesselt den Leser und beschäftigt ihn noch etwas länger.
Volker Maassen
«Bitterleichte Lyrik»
Illustrationen von Lisa Maassen
148 Seiten
(Elbaol Verlag 2014).
Auszüge aus «Bitterleichte Lyrik»
Was bleibt?
(…)
Der Tumor wird beweglich.
Endlich ist er entfernt.
Oder
ist der Mensch entfernt – und der Tumor bleibt?
Lebenslast
Des Lebens Last
lässt von mir ab
und vor mir wartet
nur das Grab.
Wie gerne hätte ich
doch auch morgen
Steuersorgen.