Der junge Schattmattbauer Fritz Grädel ist guten Mutes. Er erklärt sich als unschuldig, auch wenn er jetzt in Untersuchungshaft gehen soll. Die Szene mit seiner Familie, den beiden Kindern Glois und Theres und seiner Frau Bethli Grädel-Rösti, zeigt Kommendes schon an. Bethli sagt: «Richter sind auch nur Menschen. Du wärst nicht der Erste, der unschuldig verurteilt wird.»
Was ist passiert? Der alte Rösti wird tot aufgefunden. Erschossen. Nicht unbedingt ein Sympath, wie sich herausstellt – «Fragt sich nur, für wen sein Tod eine Erlösung ist.» Und: «Einen solchen Schwiegervater wünscht man niemandem.» Er habe «das Böse im Blut» gehabt. Der des Mordes verdächtige Fritz Grädel ist der Schwiegersohn des Dorf-zuzügers und zugleich erfolgreichen Pferdehändlers Rees Rösti.
Die Zeit: Der Jahrhundertsommer 1893. Es ist heiss. Der Ort: Habligen im Unteremmental. Das Telefon kommt langsam auf, die Stanserhorn-Bahn eröffnet ihren Betrieb, der FC Basel wird gegründet. Die Welt wird modern, auch kriminaltechnisch. Ein Sprechchor kommentiert die Bühnenwelt und fungiert gleichzeitig als Vermittlungsinstanz zwischen der Jetzt-Zeit und der Vergangenheit. Der Luzerner Komponist Christov Rolla hat originale Mundartlyrik von Carl Albert Loosli (aus seinem Gedichtband «Mys Ämmitaw» von 1911) für den Chor vertont. So singen die zehn Männer und Frauen von Habligen eine Art Pseudo-Folklore, im Nachhinein geschaffene Volkslieder.
Auf hohem Niveau
Es wird eine Tragödie geben auf dem Lande. So, wie es im Roman «Die Schattmattbauern» von Carl Albert Loosli geschrieben steht. Die Theatergesellschaft Stans, die auf eine 180-jährige Geschichte zurückblicken kann, zeigt eine Adaption der Vorlage, als Auftragsarbeit verfasst vom gebürtigen Obwaldner Simon Ledermann. Das Stück heisst jetzt, einfach bündiger, «Schattmatt». Der Freiämter Regisseur Hannes Leo Meier (46) inszeniert bereits zum vierten Mal in Stans. Hier hat er unter anderem einen Mundart-Brecht («Puntila und sein Knecht Matti») und das auch als Film bekannte «Huit Femmes» auf die Bühne gebracht. Zum Verhältnis von Roman und Stück sagt Meier: «Wenn ein Roman gut ist, sollte das Stück so nahe wie möglich am Roman sein.»
In Stans, wo seit einigen Jahren Laientheater mit professioneller Regie praktiziert wird, schätzt Meier, dass «auf sehr hohem aktuellem Niveau» gespielt wird. Er spricht lobend von «sich selber reflektierender Theaterkunst», von «Ehrlichkeit und Mut, gesellschaftliche Fragen zu stellen». Was er in Stans antreffe, sei «ein Apparat, der beseelt ist».
Und natürlich gebe es viel Können, das gutes Theater möglich macht, in einer Atmosphäre «an der Schnittstelle zwischen hoher und populärer Kultur».
In Stans wird längst nicht mehr gängiges Dorftheater gespielt. Es ist vielmehr aktuelles Laienspiel, das sich auf dem Hintergrund der langen Tradition erneuert hat.
Nahe am Roman
Nahe am Roman, nahe am Original. Doch Berndeutsch wird in der Stanser Inszenierung nicht gesprochen. «Wichtig ist», erklärt Hannes Leo Meier, «dass man die Geschichte von Loosli wahrhaftig aufnimmt, dass man das Soziotopische respektiert.» Eine künstlich wirkende Berner Mundart brauche es nicht, um das Unteremmental auf der Nidwaldner Bühne herzustellen. Weil es «um den Kern der Geschichte», so Meier, geht: «Wie unverarbeitete Geschichten aus Familien sich über Generationen weitertragen.» So, wie es Loosli einst in seinem Krimi mit sozialkritischem Anspruch eindrücklich beschrieben hat.
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C.A. Loosli
Die Schattmattbauern
Bearbeitung/Regie:
Buschi Luginbühl
(SR DRS 2007).
Mit Dialogen von Paul
Niederhauser in Niederemmentaler Berndeutsch. Erzähler: Stefan Kurt Musik: Albin Brun
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