Jazz wird oft als genuiner Musikstil des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Irgendwann gegen 1900 hat er sich in den Südstaaten der USA als Mischform aus Gospelgesang und Blues, aus afrokaribischer Folklore und europäischer Kunstmusik amalgamiert und bis heute stetig weiterentwickelt. Ab Mitte des Jahrhunderts wurde Jazz von musikalischen Erneuerern aus Rock und Pop oft totgesagt. Dem widersprach der Freigeist Frank Zappa in seinem Song «Be-Bop Tango» 1973 auf so originelle wie stimmige Weise. «Jazz is not dead, it just smells funny», sang er, «Jazz ist nicht tot, er riecht nur etwas seltsam.»
«Jazz riecht bis heute oft hervorragend», knüpft Beat Blaser an. Der Saxofonist und Jazz-Redaktor von Radio SRF 2 Kultur produziert den «Hörpunkt» zum Thema «Ella, Monk & Dizzy – Ein Jahrhundert Jazz». Klar: Die stilbildende Jazzsängerin Ella Fitzgerald wurde ebenso wie Pianist Thelonious Monk und Trompeter Dizzy Gillespie 1917 geboren. Aber Jazz an sich?
Von der Tanz- zur Kunstmusik
«Wenn wir von einem Jahrhundert Jazz sprechen, ist das natürlich ein behauptetes Jubiläum», erklärt Blaser. Mit der Schliessung des Vergnügungsviertels Storyville in New Orleans 1917 habe aber die Ausbreitung des Jazz nach Chicago und New York begonnen. Zudem seien 1917 die ersten bekannten Jazz-Platten entstanden, weiss Blaser. Am 26. Februar nahm die Original Dixieland Jazz Band die beiden Stücke «Livery Stable Blues» und «Original Dixieland One Step» auf. «Plattenaufnahmen waren und sind bedeutend im Jazz», betont Beat Blaser. «Dies sowohl als dokumentarische Bestandesaufnahme wie auch als Multiplikator.»
Die verschiedenen Beiträge des «Hörpunkt»-Tages blicken in die Pionierzeit zurück und stellen anhand der Biografien und Aufnahmen von Ella, Dizzy und Monk die Entwicklung des Jazz als musikalischer Kunstform dar. Alle drei seien in einer Zeit aktiv geworden, so Blaser, als Jazz sich von der Tanz- zur Kunstmusik gewandelt habe. «Technisch, harmonisch und rhythmisch haben Ella, Dizzy und Monk den Jazz auf eine neue Stufe gehoben.»
Einheimische Musik mit hervorragendem Ruf
Natürlich wird auch eine Definition des Jazz versucht, indem aktuelle Jazzerinnen und Jazzer wie die Schweizer Pianistin Vera Kappeler oder der österreichische Trompeter Thomas Gansch über Virtuosität und Individualismus sprechen. Der bekannte Jazzhistoriker Wolfram Knauer berichtet über die Lebensumstände und Arbeitsbedingungen von Jazzern damals und heute.
Wie lebendig und «wohlriechend» Jazz bis heute geblieben ist, wird das vielfältige Musikprogramm des «Hörpunkt»-Tages illustrieren. Zu hören ist auch einheimische Musik, denn: «Schweizer Jazzerinnen und Jazzer haben international einen hervorragenden Ruf», sagt Beat Blaser. «Die Ausbildung ist womöglich besser als an anderen Orten.»
Wer sich von der Qualität des aktuellen Jazzschaffens hier und in aller Welt überzeugen will, hat in den kommenden Tagen gleich drei Festivals in Zürich und Schaffhausen zur Auswahl (siehe unten).
Aktuelles aus der Schweiz
Eine Momentaufnahme des Schweizer Jazzschaffens bietet seit 1990 das Schaffhauser Jazzfestival. Unter den Bands aus allen Landesteilen finden sich gestandene Jazzer und Newcomer. Das Spektrum der 28. Ausgabe reicht von Meister-Trompeter Franco Ambrosetti (75) aus dem Tessin bis zum jungen Experimental-Duo JPTR aus Zürich. Das Berner Sextett Hildegard lernt fliegen spielt sein Programm «The Big Wig» mit dem 60-köpfigen Lucerne Festival Academy Orchestra, eingeleitet von einer Soloperformance des Schlagwerkers Julian Sartorius. In Schaffhausen wird auch über Jazz diskutiert: Die 14. Jazzgespräche thematisieren Wechselwirkungen zwischen Jazz, Volksmusik und Politik.
Schaffhauser Jazzfestival
Mi, 10.5.–Sa, 13.5., 20.15 Stadttheater, Kammgarn, Neustadt-Bar, TapTab Schaffhausen
www.jazzfestival.ch
Live am Radio
Fr, 12.5., 21.00 SRF 2 Kultur
Junge Spielarten
Zum 15. Mal vergibt die Zürcher Kantonalbank den ZKB Jazzpreis. 2003 lanciert mit dem Ziel, die Vielfalt der Schweizer Szene zu fördern, ist der Anlass zum viel beachteten Festival für innovative Nachwuchsbands geworden. Heuer kämpfen sechs Bands um den begehrten Preis, der als Karriere-Sprungbrett gilt. Darunter District Five und das Quintett des Bassisten Raphael Walser aus Zürich mit aktuellen Spielarten herkömmlicher Jazzmuster. Aus Bern bringt das Akku Quintet Minimal-Jazz mit Rockattitüde, während das Quartett der Drummerin Lada Obradovic frische Themen zu komplexen Mustern verwebt. Tastenmann Matthieu Llodra aus Genf mischt Rock und Improvisation mit Elektronik. Eine Fachjury und das Publikum taxieren die Bands, Finale und Preisvergabe finden am 4. Mai statt.
ZKB Jazzpreis
So, 30.4., 19.00 & Mo, 1.5.–Fr, 5.5., 20.30
Moods Zürich
www.jazzpreis.ch
Innovatives aus aller Welt
Er werde ein «extrem leises» Konzert geben, liess Marc Ribot die Veranstalter des Taktlos Festivals in Zürich wissen. Das lässt aufhorchen, denn der umtriebige Gitarrist aus New York kann auch ganz anders. Ribot (62) ist eine Ikone des experimentellen Gegenwartsjazz und passt perfekt ans Taktlos Festival, das seit 1984 «waghalsige Musik abseits des Mainstreams» aus aller Welt nach Zürich bringt. Zur 34. Ausgabe reisen etliche Musikerinnen aus Skandinavien an: die Saxofonistinnen Julie Kjær aus Aarhus und Anna Högberg aus Stockholm, Pianistin Lisa Ullén ebenfalls aus Stockholm und Gitarristin Hedvig Mollestad Thomassen aus Oslo. Traditionell lädt das Festival Grossformationen ein, heuer deren drei mit Musizierenden aus elf Ländern von Argentinien bis Lettland.
Taktlos Festival
Do, 4.5.–Sa, 6.5., 20.00 & So, 7.5., 17.00
Rote Fabrik Zürich
www.taktlos.com