Sam Stourdzé «Die Fotografie ist mein Leben»
Sam Stourdzé ist seit einem Jahr Direktor des Fotomuseums Lausanne. Er will <br />
neue Sichtweisen auf Bilder ermöglichen. Das zeigt die aktuelle Fellini-Ausstellung.
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Kulturtipp 12/2011
Claudine Gaibrois
«Ich konzipiere Ausstellungen nicht mit Blick auf Besucherzahlen», sagt Sam Stourdzé dezidiert. Gleichzeitig betont der Direktor des kantonalen Musée de l’Elysée, keinen «romantischen Ideen» nachzuhängen. «Wir haben einen Service-public-Auftrag zu erfüllen», sagt er. Sam Stourdzé schätzt den Spielraum, den ihm der Kanton Waadt gewährt – und verweist mit maliziösem Lächeln auf die «d...
«Ich konzipiere Ausstellungen nicht mit Blick auf Besucherzahlen», sagt Sam Stourdzé dezidiert. Gleichzeitig betont der Direktor des kantonalen Musée de l’Elysée, keinen «romantischen Ideen» nachzuhängen. «Wir haben einen Service-public-Auftrag zu erfüllen», sagt er. Sam Stourdzé schätzt den Spielraum, den ihm der Kanton Waadt gewährt – und verweist mit maliziösem Lächeln auf die «doch immerhin 80 000 Besucher pro Jahr».
Der jugendlich wirkende Direktor kokettiert mit seinem Alter – «mir wärs recht, wenn Sie schreiben, dass ich 20 bin» – und will einen Schlüssel zum «Lesen» von Bildern bieten. «Fotografien sind sowohl Kunst wie kulturelle Phänomene, deshalb geht es auch ums Entziffern und Analysieren.» Er versuche, Spezialisten ebenso anzusprechen wie ein breites Publikum, erklärt Stourdzé am Beispiel der aktuellen Fellini-Ausstellung: «Einerseits möchten wir die Möglichkeit bieten, in Fellinis Universum einzutauchen. Gleichzeitig stellen wir die Frage, wie sich eine Ausstellung übers Kino gestalten lässt, wie ein Dialog zwischen bewegten und unbewegten Bildern entstehen kann.»
Der studierte Kunsthistoriker und Ökonom widmet sich dem Ausstellungsmachen mit spürbarer Leidenschaft – auch wenn er relativ spät und zufällig auf die Fotokunst stiess: Eines Tages geriet ihm Robert Franks Fotoband «Die Amerikaner» in die Hände. «Das war eine Offenbarung und ein Schock», sagt Sam Stourdzé, denn ihm wurde schlagartig bewusst: «Die Fotografie ist mein Leben.» Zu jenem Zeitpunkt lebte er in Paris, ganz in der Nähe einer Fotogalerie. «Ich bin reingegangen, habe angeboten, für sie zu arbeiten – und anschliessend einen Lastwagen voller Bilder ans Fotofestival Rencontres d’Arles gefahren.»
Das Grossstadtleben vermisst Stourdzé nicht. «Wenn ich auf dem Land spazieren gehe, werden bisweilen Erinnerungen an früher wach. Kuhmist war der Geruch meiner Kindheit», sagt er, der in einem Dorf in der nordfranzösischen Picardie aufgewachsen ist. An der Schweiz gefallen ihm auch die Verschiedenheit und die direkte Demokratie. Im Gegensatz zum zentralistischen Frankreich wisse man hier klar, «wer die Ansprechpartner sind. Ich schätze diese Effizienz.»
Nur eines kann der Direktor nach eigenen Aussagen nicht: Fotografieren. Dafür ist ihm ein anderer grosser Coup gelungen: Die Familie Chaplin stellt dem Musée in Lausanne ihre Fotokollektion, die rund 10 000 Bilder und Negative umfasst, zur Verfügung. Das Publikum wird aber erst 2012 etwas davon zu sehen bekommen. Zunächst müsse die Sammlung katalogisiert werden. Bis dahin gibts Fellinis Universum, eine Bildernacht – und die Hans-Steiner-Ausstellung, die soeben von Lausanne nach Winterthur transferiert wurde.