Der 22-jährige Luke Kanowski lebt im fiktiven englischen Städtchen Seston. Seine Mutter ist psychisch krank, sein Vater hat sein Leben dem Alkohol verschrieben. Der hochintelligente Luke hat eine grosse Liebe fürs Theater, schreibt eigene Stücke, arbeitet aber als Bürogehilfe in der Papierfabrik im Dorf. «Das Leben in seinem Inneren zerriss ihn; er schrieb sich in linierten Kladden aus sich selbst heraus, immer in Hetze, immer ausschauend, arbeitend, in Bewegung, und wusste doch die ganze Zeit, dass er einfach nur stillstand.»
Jung und wild
Aus purem Zufall trifft Luke eines Abends ein verrücktes Paar aus London, das sich in seinem gottverlassenen englischen Dorf verfahren hat. Zum ersten Mal in seinem Leben findet Luke Menschen, die denken wie er. Leigh und Paul sind jung, wild, voller Ideen und Träume. Leigh ist Schriftstellerin, talentiert, aber noch etwas unsicher und arbeitet deshalb als «Mädchen für alles» hinter der Bühne. Ihr Freund Paul hingegen strotzt vor Selbstbewusstsein. Er weiss genau, dass er als Produzent reüssieren will.
Luke ist so fasziniert von den beiden, dass er kurz nach diesem Zusammentreffen seinen Job in Seston an den Nagel hängt, sich von den Eltern verabschiedet und nach London reist. Er ist fest entschlossen, hier seine Karriere als Theaterautor zu starten, und nistet sich vorerst bei Paul ein. Bald festigt sich die Freundschaft – zu Paul, aber auch zu Leigh.
Die drei werden mehr und mehr zu einer eingeschworenen Gemeinschaft, leben bald schon unter einem Dach und gründen eine eigene Theaterkompanie. «Sie nannten sich ‹Graft› – ‹Mühsal›. Nach gut vier Jahren bei Tourneetheatern kannten sie die Bedeutung des Wortes nur zu gut.» Aber sie sind auch überzeugt, «sie würden ernsthafte, zeitgenössische Werke aufspüren und mitten im Herzen des Establishments platzieren. Sie würden der Stadt ihre Ideen aufdrücken, ob es ihr gefiel oder nicht.»
Ein tolles Team ist da an der Arbeit. Der Weg zum gemeinsamen Erfolg scheint geebnet, doch dann tritt die Schauspielerin Nina in Lukes Leben. Eine labile junge Fau, die bereits mit einem dominanten Theaterproduzenten liiert ist. Luke verliebt sich in sie, verliert seinen Kopf – und verrät seine Freunde und das gemeinsame Theaterprojekt.
In Aufbruchstimmung
Schmerzliche Erfahrungen, absolutes Glück und wiederkehrende Hoffnungen: Die englische Schriftstellerin Sadie Jones schöpft aus dem Vollen und erzählt die Geschichte von Leigh, Paul, Nina und Luke packend und emotionsgeladen – mit viel Gefühl für Dramaturgie sowie richtiges Timing.
Die 1968 in London geboren Autorin stellt das menschliche Verhalten ins Zentrum, durchleuchtet es und hält dem Leser einen gesellschaftlichen Spiegel vor. Warf Sadie Jones in ihrem letzten Roman «Der geladene Gast» (2012) einen Blick in menschliche Abgründe, so richtet sie in «Jahre wie diese» den Blick auf die Stadt London, die sich in den 70ern in künstlerischer und gesellschaftlicher Aufbruchstimmung befand.
Sadie Jones stammt als Tochter eines Schriftstellers und einer Schauspielerin aus einem kreativen Elternhaus. Nach ersten Versuchen mit Videoproduktionen schlug sie sich mit Gelegenheitsjobs durch, hielt sich in den USA, in der Karibik und in Mexiko auf und liess sich schliesslich in Paris nieder. Dort begann sie, Drehbücher zu schreiben – unter anderem für die BBC, aber auch für Spielfilme. 2005 verfilmte Regisseur John Irvin ihr Drehbuch «The Fine Art Of Love» mit Jacqueline Bisset in der Hauptrolle.
Sadie Jones
«Jahre wie diese»
416 Seiten
(DVA 2015).