Wussten Sie, dass viele Seepferdchen ihre Farbe nach Lust und Laune wechseln können und sich mit diesem Farbenspiel nicht nur tarnen, sondern damit auch mit ihren Artgenossen kommunizieren und ihre Stimmung zum Ausdruck bringen? Dass die Paartänze der schillernden Pferdchen bis zu neun Stunden dauern? Und dass schliesslich die Männchen schwanger werden und in einer Bauchtasche während zwei bis vier Wochen den Nachwuchs austragen?
Seepferdchen sind faszinierende Geschöpfe, das zeigt Till Hein in seinem neuen Buch «Crazy Horse». Der Wissenschaftsjournalist, der seit rund zehn Jahren über Schleimaal, Eishai und andere Meerestiere schreibt, versteht es, die Leser mit unterhaltsamen, manchmal skurrilen, stets spannenden Fakten für die Welt der Fische zu begeistern. Denn zur Gattung der Knochenfische gehören auch die Seepferdchen, von denen es je nach Forschermeinung 50 bis 100 unterschiedliche Arten gibt.
In 20 Kapiteln umkreist Till Hein das aparte Meerestier und geht auch auf seine Bedeutung in der Kulturgeschichte ein. Ein Kapitel widmet der Autor etwa dem Dichter Joachim Ringelnatz und seiner Leidenschaft für die Rosse der Meere. Der Künstlername Ringelnatz entstammt dem Dialektausdruck der Matrosen für Seepferdchen, die Glück bringen. Seine Wohnung hatte der Humorist mit getrockneten Seepferdchen ausstaffiert, und er hat sie in seinen Gedichten und Skulpturen hochleben lassen. Hein geht aber auch auf die jahrtausendealte Geschichte der Seepferdchen ein: Sie erscheinen auf Höhlenmalereien der Aborigines oder der Schmiedekunst der alten Griechen, und heute werden sie in der Popkultur als Glücksbringer zelebriert.
Mit Julia Schnetzler auf Expedition
Einen unterhaltsamen Ton, gewürzt mit Anekdoten, schlägt auch Julia Schnetzler in ihrem Buch «Wenn Haie leuchten» an. Die Meeresbiologin schreibt zuweilen aber auch wissenschaftlich detailliert und erzählt ausführlich von den Forschungsmethoden, welche die «Wunderwelt des Ozeans» erfahrbar machen. Und sie macht keinen Hehl daraus, dass viele Geheimnisse der Unterwasserwelt noch unerforscht sind. Möglicherweise wurden rund zwei Drittel der Tier- und Pflanzenarten im Meer noch gar nicht entdeckt, wie sie im Vorwort erwähnt. So wurde der langarmige Riesenkalmar, der aus Jules Vernes «Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer» bekannt ist, etwa erst 2012 gesichtet – und somit ist klar, dass es sich nicht um Seemannsgarn handelt.
Julia Schnetzler nimmt die Leserinnen in ihrem Buch mit auf eine Expedition durch die sieben Weltmeere und macht die Faszination für dieses fremde Ökosystem spürbar – ihre Leidenschaft fürs Meer steckt in jeder Zeile. Auf den Buchtitel «Wenn Haie leuchten» geht sie in einem Kapitel über fluoreszierende Tiere und Pflanzen ein: Fische, Krebse oder Nacktschnecken können in unterschiedlichsten Neonfarben leuchten, was sie sowohl zur Tarnung vor leuchtenden Korallenriffen als auch zur Kommunikation oder zum Beutefang nutzen. So eine «Fluoreszenzbombe» ist etwa der Kettenkatzenhai, dessen Leuchtkraft im tiefen, kaum lichtdurchlässigen Wasser unter anderem dazu dient, seine Art-genossen zu erkennen.
Die Haie als wiederkehrendes Thema
Schnetzler erzählt von den hochintelligenten Delfinen, die in ausgeklügelten Sprachsystemen kommunizieren, von Meereswasserläufern, die zu den wenigen Insekten im Meer gehören, oder von Quallen, die durch einen speziellen Mechanismus ewig jung bleiben. Und immer wieder kommt sie auf den Hai zurück, der wegen Steven Spielbergs Horrorfilm «Der weisse Hai» ein Image als «blutdürstige Bestie» hat. Tatsächlich beträgt die Wahrscheinlichkeit, durch einen Haiangriff umzukommen, 1: 3 748 067, wie Schnetzler schreibt. Die Gefahr, aus dem Bett zu fallen und dabei zu sterben, ist grösser …
Tatsache ist, dass all diese faszinierenden Tiere – vom Seepferdchen bis zum Hai – durch Plastikmüll, Überfischung, Meeresverschmutzung oder Klimaerwärmung bedroht sind. Beide Autoren gehen in ihren Büchern auch auf diese menschengemachten Schäden ein und rufen zum Schutz der Ozeane auf, damit diese Unterwasserpracht für die kommenden Generationen nicht nur in Büchern und Filmen fortbesteht.
Buch
Till Hein
Crazy Horse
240 Seiten
(mare 2021)
Julia Schnetzler
Wenn Haie leuchten
240 Seiten
(Hanser blau 2021)