Rechtsextreme Kräfte erstarken, autoritäre Führer gewinnen an Macht, antifeministische Akteure verbreiten Hass im Netz, weltweit wüten Kriege. Weder die Welt noch über Jahrhunderte erkämpfte Frauen- und Minderheitenrechte scheinen 2025 sicher. Drei Autorinnen setzen diesen düsteren Seiten der Gegenwart ihre Gedanken entgegen.
Die Schweizer Autorin Franziska Schutzbach und ihre deutschen Kolleginnen Julia Korbik und Kristina Lunz legen Bücher vor, in denen sie die Kraft feministischer Solidarität ausloten – auf verschiedene Weise, aber alle mit demselben Ziel: eine gerechtere und friedlichere Gesellschaft zu schaffen.
Dieser Versuch beginnt bei Julia Korbik mit Grundsätzlichem. In «Schwestern» macht sich die Journalistin auf die Suche nach dem feministischen «Wir», nach Schwesterlichkeit. Wer sind «die Frauen», die sich zusammenschliessen – wollen, können, sollen? Bereits auf den ersten Seiten wird klar: Diese Frage zu beantworten, ist nicht einfach, mitunter auch schmerzhaft.
Historisch fundiert legt Korbik dar, wie Zusammenschlüsse von Frauen in der Literatur, Forschung und Geschichtsschreibung abgewertet oder ignoriert wurden. Anders als der Brüderlichkeit, den Männerbünden, wurde der Schwesternschaft und der damit einhergehenden Solidarität unter Frauen in Quellen aber auch in der gesellschaftlichen Realität keine Wichtigkeit und schon gar keine politische Dimension beigemessen.
Weiter zeigt Korbik auf, wie feministische Bewegungen in sich selbst gespalten waren und es bis heute sind – es sei die Geschichte «einer Gruppe von Menschen, die schon immer darüber diskutierte und stritt, wer dazugehörte, wen sie repräsentierte und wessen Themen und Anliegen im Mittelpunkt stehen sollten».
Antike Mythen stellten Frauen als Rivalinnen dar
Dabei wäre es gerade wichtig, dass sich Frauen verstärkt aufeinander beziehen. «Frauenbeziehungen können eine Patriarchats-unterminierende Kraft haben», schreibt Franziska Schutzbach in «Revolution der Verbundenheit». Die Geschlechterforscherin und Soziologin zeigt mit philosophischer Tiefe und bewegenden persönlichen Gedanken auf, wie Frauen über Jahrtausende vereinzelt worden sind.
Bereits antike Mythen stellten Frauen als Rivalinnen dar – ein Stereotyp, das bis in die heutigen popkulturellen Erzählungen nachwirkt. Auch halten ein enormes Pensum aus Job, Sorgearbeit und anderen Rollenerwartungen die Frauen davon ab, Freundschaften untereinander frei und nicht nutzenorientiert zu gestalten.
Was aber passiert, wenn sich Frauen nicht mehr an dieser von Männern bestimmten und dominierten Ordnung orientieren? Für Franziska Schutzbach beginnt die Revolution da, wo Frauen sich aufeinander beziehen, miteinander in Verbindung treten und sich vernetzen. Emanzipatorischer feministischer Wandel habe sich immer dann entsponnen, wenn sich Frauen verbündet hätten.
Frauen schmieden weltweite Allianzen
Eindrücklich beschreiben Julia Korbik und Franziska Schutzbach die Erfolge der Bürgerrechtlerinnen in den Vereinigten Staaten, der queeren Pionierinnen der Friedensbewegung oder der kurdischen Revolutionärinnen in Rojava. Die Bezugnahme von Frauen untereinander ist mehr als Freundschaft. Sie ist politisch und kann weitreichende Dimensionen annehmen.
Das zeigt auch Kristina Lunz in «Empathie und Widerstand». Lunz ist Mitgründerin eines Thinktanks für feministische Aussenpolitik, berät Regierungen, nimmt an internationalen Sicherheits- und Friedenskonferenzen teil. Sie beschreibt, wie sie in ihrer Haltung versucht, dem Gegenüber stets zugewandt und empathisch zu sein.
Die Menschenrechte seien für sie aber nicht verhandelbar. Lunz baut in ihrem Engagement stark auf Verbündete. Schwesternschaft sieht sie als eine von vielen Widerstandsformen, die Frauen praktizieren können. Und so versammelt sie regelmässig hochrangige Mitstreiterinnen für Kampagnen, etwa gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus oder frauenfeindliche Gesetzgebung.
«Das Verschiedensein üben und akzeptieren»
Lunz, Korbik und Schutzbach räumen ein, dass Plädoyers für Wandel durch feministische Zusammenschlüsse einigen als utopisch gelten mögen. Zugleich sehen sie keine Alternative dazu, sich nicht dennoch zu verbünden. Dies im Bewusstsein für Unzulänglichkeiten und Differenzen. «Das Verschiedensein zu üben und zu akzeptieren, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, um auch in Verbindung treten zu können, tragende Beziehungen aufzubauen und solidarisch zu sein», schreibt Schutzbach.
Und so lassen einen diese drei Bücher Dissonanzen unter Frauen deutlich spüren. Aber genauso Solidarität und Verbundenheit. Das Lesen selbst schafft Gemeinschaft – die Bücher als Raum, in dem Frauen mit ihren Geschichten und Biografien verbunden werden, in dem Freiheit aufscheint und aus dem man Mut und Kraft schöpfen kann.
Franziska Schutzbach
Revolution der Verbundenheit – Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert
320 Seiten
(Droemer 2024)
Julia Korbik
Schwestern – Die Macht des weiblichen Kollektivs
256 Seiten
(Rowohlt 2024)
Kristina Lunz
Empathie und Widerstand
160 Seiten
(Ullstein 2024)