Die blauen «Lonely Planet»-Führer begleiteten viele von uns auf Interrail-Reisen oder auf fernen Kontinenten, wo wir abseits der ausgetrampelten Touristenpfade nach Ferienerlebnissen suchten. Das Problem: «Die Erde als Lonely Planet (…) ist längst nicht mehr ‹einsam›. Sie ist überlastet (…). Was sie immer bleiben wird: unvergleichlich, grossartig, entzückend, voller Wunder – ein wahrer Lovely Planet.» Um die Frage, wie wir unserem Planeten reisend neu begegnen können, ohne ihn zu zerstören, dreht sich das Buch von Maria Kapeller, Gründerin des alternativen Reisemagazins www.kofferpacken.at.
Eine Schlüsselszene ereignete sich für Kapeller an der Rezeption eines Hotels in Kambodscha, wie sie in einem Interview berichtet. Eine Touristin aus Frankreich wollte ein zweites Handtuch und sollte 50 Cent dafür zahlen: «Die Reaktion der Französin liess mich fremdschämen: Sie beschwerte sich lautstark, beschimpfte die Hotelmitarbeiterin und stapfte wutentbrannt davon.» Da jettet man über Grenzen und Kontinente, eine Fahne von CO2 und Kreditkartendaten hinter sich herschleifend, und macht Theater wegen Cents? Was geht da schief?
Zufriedenheit als Ausgangslage
Das Buch «Lovely Planet» zeigt, was man anders machen kann, um Reisen und Ferien bewusster wahrzunehmen. Die Autorin führte Interviews mit Expertinnen aus Philosophie, Umweltpsychologie, Tourismusethik und Nachhaltigkeits- beziehungsweise Zukunftsforschung. Das Fazit? Nicht Kilometer und besuchte Kontinente zählen, sondern die unterwegs gewonnene Lebensqualität. Die, so banal es tönt, unterwegs gelebte Zufriedenheit und Achtsamkeit.
Und nicht nur unterwegs! Denn wer zu Hause unzufrieden ist, fühlt sich in der Ferne auch nicht besser. Kapeller empfiehlt das Führen eines «Zufriedenheitsjournals», in dem man die Freuden und Glücksmomente des Tages einträgt. Die Autorin gibt viele Tipps für eine bewusstere, entschleunigte Reiseplanung. Welche Literatur kommt aus dem Land, wo ich hin will? Gibt es thematische Gruppenreisen, die mir das Land näherbringen? Kann ich bei Einheimischen statt im Hotel wohnen? Wie kann ich mein dort ausgegebenes Geld direkt zu den Landsleuten bringen – und nicht den Tourismuskonzernen überlassen?
«Reiseethische» Auseinandersetzung
Maria Kapeller präsentiert schliesslich ein 3-Punkte-Programm, mit dem bewusste Reisen schon bei der Planung anfangen. Wann will ich wohin verreisen, und welche Herausforderungen bringt die Reise mit sich? Welche Varianten punkto Anreise, Unterkunft und Aufenthalt gibt es? Welches Reiseziel ist für mich gefühlsmässig das richtige?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, brauche es eine gesunde Entscheidungsfähigkeit, die auf den eigenen Werten basiert und von innen heraus getroffen wird. Wenn man weiss, wo man «reiseethisch» steht, so die zentrale Einsicht dieses Buchs, trifft man bewusstere Entscheidungen. Vielleicht finden wir so einen Flecken Erde, an dem der Planet «lovely» und «lonely» ist.
Buch
Maria Kapeller
Lovely Planet
224 Seiten
(Kremayr & Scheriau 2022)