Der freisinnige St. Galler Bundesrat Arthur Hoffmann (1857–1927) war zu Beginn des Ersten Weltkriegs der starke Mann in der Landesregierung. 1917 musste er allerdings Knall auf Fall zurücktreten. Der zwar gewiefte, aber ehrgeizige Hoffmann, zuständig für die Aussenpolitik, hatte sich mit einer unzulässigen Intervention unmöglich gemacht: Er suchte einen vorzeitigen Separatfrieden zwischen den Mittelmächten Deutschland, Österreich sowie dem vorrevolutionären Russland. «Ich dachte zuerst, er sei nur wegen dieser einzigen misslungenen Vermittlungsaktion gescheitert. Nach und nach merkte ich bei der Recherche aber, dass Hoffmann ein doppeltes Spiel trieb», sagt Paul Widmer, Autor des Buches «Bundesrat Arthur Hoffmann – Aufstieg und Fall».
Falschen Mann ins Boot geholt
Der Jurist vertrat gegen aussen die Anliegen einer strikt neutralen Schweiz. Hintenherum liess er sich jedoch in die Politik der Mittelmächte einspannen, der Deutschen und der Habsburger, um einen Separatfrieden mit Russland zu arrangieren. Dieser hätte Berlin und Wien wiederum erlaubt, sich ganz auf die Westfront im Krieg gegen die Franzosen und die Briten zu konzentrieren. Die Pläne scheiterten mit dem Kriegseintritt der USA 1917, der zu einem neuen Kräfteverhältnis in Europa führte.
Die Sache flog auf, weil Hoffmann ungeschickterweise den Sozialdemokraten Robert Grimm einspannte. Dieser war ebenfalls in Machtspiele verwickelt. Allerdings mit europäischen Kommunisten und Sozialisten. Unter bis heute ungeklärten Umständen machten diese ein Telegramm an Grimm aus Bern publik. «Hoffmann fühlte sich selbst zum Friedensvermittler berufen. Daran kann es keine Zweifel geben …», schreibt Widmer und erinnert daran, dass sich Hoffmann auch dem US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson «penetrant als Neutralitätspartner aufdrängte».
Der 68-jährige Autor Paul Widmer trat in den 1970ern seinen ersten Posten bei der Schweizer Beobachtermission bei den Vereinten Nationen an, denen unser Land damals noch nicht angehörte. Später arbeitete er auf der Schweizer Gesandtschaft in Washington. Das war jene Zeit, als sich am Horizont das Ende des Kalten Kriegs abzeichnete. Die Repräsentanten der USA und Russlands, Ronald Reagan und Michael Gorbatschow, trafen sich zu einer historischen Begegnung in Genf. Widmer erlebte das Ereignis vor Ort mit. Mit 43 Jahren, sehr jung für einen Diplomaten, wurde er Schweizer Geschäftsträger in Berlin und hielt den für die Schweiz zentralen Posten bis 1999 sieben Jahre lang.
Paul Widmer – profunder Kenner der Materie
Vor der Hoffmann-Biografie sind im NZZ-Buchverlag schon zwei Werke von Paul Widmer erschienen. Ein Handbuch der Diplomatie und eine Abhandlung der Schweizer Aussenpolitik seit dem Wiener Kongress. Wie sehr Widmer in der Materie verankert ist, belegt auch die Lektüre über Hoffmann. Immer wieder würdigt der Autor die damalige Strategie: Manchmal mit anerkennendem Beifall, oft aber mit einem Stirnrunzeln, besonders im Hinblick auf die Eigenmächtigkeiten von Arthur Hoffmann, die zu seinem Sturz führten.
Buch
Paul Widmer
«Bundesrat Arthur Hoffmann – Aufstieg und Fall»
380 Seiten
(NZZ Libro 2017).