Der englische König Georg II. war ein armer Bursche. Der geplagte Monarch musste im Jahr 1735 zwangsweise aus seinem heimatlichen Kurfürstentum Hannover nach England zurückkehren. Der gebürtige Deutsche war König dieses Landes, und das bedeutete noch etwas in jener Zeit: politische Verantwortung.
Dumm nur, dass er seine englischen Untertanen hasste, zumal er deren Sprache mehr schlecht als recht sprach. Auch erwartete ihn familiären Zoff zu Hause in London. Er liebte zwar seine Frau Caroline, die in seiner Abwesenheit als Regentin die Geschäfte führte. Aber mit seinem Sohn und mit seinem Schwager focht Georg II. bittere Fehden aus. Auf der mühsamen Reise von Deutschland an den Ärmelkanal holte der Adlige sich zudem ein fürchterliches Fieber in seiner kalten Kutsche, was seine Stimmung wenig besserte.
Mit Wohlwollen und leiser Ironie
Diese Episode beschreibt der deutsche Historiker Leonhard Horowski in seinem neuen Buch «Das Europa der Könige – Macht und Spiel an den Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts». Die bittere Heimkehr von König Georg II. belegt, dass das Leben der europäischen Aristokratie alles andere als lustig war. Zumindest erhält man diesen Eindruck bei der Lektüre des monumentalen Werks von Horowski. Wobei sich gleich die Frage aufdrängt, ob die Untertanen in den Niederungen der Armut mit einer geringen Lebenserwartung von unter 40 Jahren das bessere Schicksal hatten.
Einerlei, Horowski beschreibt den europäischen Adel mit einer leisen Ironie und sehr viel Wohlwollen. Er rechtfertigt diese Sympathie im Gespräch damit, dass «die Adligen heute politisch nichts mehr zu sagen haben». Vor 300 Jahren «hätte ich ihnen vermutlich viel weniger Sympathie entgegengebracht». Horowski findet, «die moderne Geschichtsschreibung habe den Adel zu lange ausgeblendet».
Ganz so schlimm wie für Georg II. war das Leben des Hochadels nicht immer, wie das Liebesleben des englischen Königs Karl II. belegt. Er und sein französischer Amtskollege Ludwig XIV. entschieden 1670 im geheimen Vertrag von Dover, den Niederlanden in einem Krieg den Garaus zu machen. Auf französischer Seite führte Madame de Montespan, die königliche Lieblingsgeliebte mit dem offiziellen Titel «Maîtresse royale en titre», die Verhandlungen mit Karl II., der im Zug des Arrangements zum Katholizismus konvertieren sollte.
Skurriler Ehrentitel für Geliebte des Königs
Madame la «Maîtresse royale en titre» verstand exactement, wie sie beim Monarchen jenseits des Ärmelkanals Stimmung machen konnte: Einer Geliebten des Königs Karls II. verlieh sie einen skurrilen Ehrentitel. Das freute die Engländer und kostete die Franzosen nichts.
Obendrein legte Madame la «Maîtresse royale en titre» dem neuen Bündnispartner Karl II. die schöne Ehrenjungfer Louise Renée de Penancoët de Kéroualle ins Bett. So durfte dieser Schäferstündchen im Dienst seines Landes geniessen – oder wird sich das zumindest gesagt haben. Der Monarch verknallte sich tatsächlich in die Französin, zeugte mit ihr ein Kind und blieb ihr bis zu seinem Ende auf seine Art treu. Was immer das hiess bei einem, der zehn weitere uneheliche Kinder mit anderen Ladys hatte.
Buch
Leonhard Horowski
«Das Europa der Könige»
1119 Seiten
(Rowohlt 2017).