Der für seine Bescheidenheit berühmte Heilige Thomas von Aquin wusste, was der Mensch der Mode schuldete. Er rechtfertigte in seiner Schrift «Summa Theologiae» den pompösen Auftritt klerikaler Würdenträger: «Sie werden mit kostbaren Gewändern bekleidet, nicht zur eigenen Verherrlichung, sondern um die hohe Stellung ihres Amtes oder des Gottesdienstes hervorzuheben. »
Thomas von Aquin erkannte, wie wichtig die Kleidung kirchlicher Repräsentan- ten war, um sich bei den Gläubigen Respekt zu verschaffen. Diese Haltung war religiös umstritten. Andere, wie der Reformator Huldrych Zwingli, verlangten Bescheidenheit, um sich vom katholischen Klerus modisch abzuheben.
Kleidung als wichtige Investition
Die Historikerin Ulinka Rublack stellt in ihrem Sachbuch «Die Geburt der Mode – Eine Kulturgeschichte der Renaissance » die Kleidung in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Entwicklungen. Sie schildert die modischen Auftritte kirchlicher und weltlicher Machtträger im Lauf der Jahrhunderte ebenso wie jene der gemeinen Bürgerschaften.
Die damaligen Handelsleute investierten Geld in ihre Kleidung, um ihren sozialen Status zu markieren: «Kleider lieferten gegenüber Zeitgenossen die wirkungsmächtigste Aussage über den sozialen Status», schreibt die deutsche Autorin. Die Mode war demnach politisch expliziter als heute, wo der Jeans-Einheitslook weit verbreitet ist.
Diesen Befund illustriert ein «Klaidungsbuechlin» aus dem 16. Jahrhundert, das Rublack ausführlich bespricht. Der Augsburger Matthäus Schwarz, ein Buchhalter im Dienst des Handelshauses Fugger, liess von sich 137 Darstellungen fertigen, die seinen sozialen Aufstieg in wechselnden Outfits dokumentierten. Der Mann setzte seine Kleidung zielgerichtet ein. So trug er auf seinen Geschäftsreisen während des Bauernkriegs einen «Wendemantel»: Er konnte mit der roten oder der grünen Seite nach aussen getragen werden und diente ihm zur Tarnung.
Allerdings liebte der Mann auch seinen «Reitmantel mit vierzig Falten, bei dem viel Material, Geld und Können zum Einsatz gekommen waren». Schwarz wusste genau, welche Kleidung in welcher Lebenslage opportun war, um Erfolg zu haben.
Damals wie heute zeugte die Mode zudem von der Globalisierung, wie die Autorin belegt. «Östliche und später mongolische Luxusstoffe waren ein grundlegender Bestandteil bei der Entstehung westlicher Elite-Identitäten », be- vor die Produktion hochwertiger Seidenstoffe im südlichen Europa anlief: «Im Gegenzug schufen europäische Kaufleute eine Nachfrage nach westlichen Wollstoffen, Silber und Waffen an muslimischen Fürstenhöfen.»
Männliche Garderobe als wertvolles Gut
Die «Geburt der Mode» ist somit in vielen Zentren der damaligen Welt erfolgt: «Höfe in verschiedenen Teilen der Frühmoderne gaben immer mehr Geld für Livreen, Schmuck oder kleine Accessoires wie parfümierte Handschuhe aus.» Wer nun denkt, dass die Mode bei Frauen einen grösseren Stellenwert hatte als bei Männern, sieht sich getäuscht: «Männliche Garderobe galt bis weit ins 18. Jahrhundert hinein üblicherweise als wertvoller als Frauenkleidung. » Die Herren waren die «Sachverständigen des guten Geschmacks», was heute nicht immer zutrifft.
Buch
Ulinka Rublack - Die Geburt der Mode – Eine Kulturgeschichte der Renaissance
534 Seiten (Klett-Cotta 2022)