Die junge Beobachterin wusste mehr als die westlichen Geheimdienste. Die britische Journalistin und Pazifistin Clare Hollingworth reiste Ende August 1939 der deutsch-polnischen Grenze entlang und dokumentierte den Aufmarsch der Wehrmacht. «1000 Panzer an polnischer Grenze. 10. Division bereit zu Blitzschlag», lautete ihre Schlagzeile im «Daily Telegraph». Fünf Tage später marschierten die Deutschen in Polen ein. Der Zweite Weltkrieg hatte begonnen.

Diese Episode schildert die englische Autorin Judith Mackrell in ihrem neuen Band «Frauen an der Front». Sie schreibt von den Kriegserlebnissen britischer und US-amerikanischer Kriegsreporterinnen im Zweiten Weltkrieg. Zwei von ihnen sind bis heute weltbekannt: Die einstige Modefotografin Lee Miller dokumentierte die Befreiung Frankreichs durch die Alliierten, die Journalistin Martha Gellhorn, Ehefrau von Ernest Hemingway, verstand ihre Aufgabe als Kampf gegen den Faschismus – vom spanischen Bürgerkrieg bis zur Befreiung der Konzentrationslager.

Andere Frauen wie etwa Hollingworth sind heute nahezu vergessen, obgleich sie sich ebenfalls durch grossen Mut und noch grösseren Ehrgeiz auszeichneten. Die in den USA geborene Virginia Cowles etwa wollte über den deutschen Einmarsch in Paris berichten und reiste entgegen allen Warnungen in die Stadt. Erst dort erkannte sie die Gefahr und schaffte es knapp, sich nach Tours abzusetzen.

Andere Passagen sind schier unerträglich, etwa die Schilderung der USAmerikanerin Sigrid Schultz, welche die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald miterlebte. Verständlich, dass diese Frauen unter lebenslangen Traumata litten.

Buch
Judith Mackrell

Frauen an der Front
Aus dem Engl. von Sonja Hauser und Susanne Hornfeck
542 Seiten
(Insel 2023)