Lieber prall gefülltes Leben als prall gefüllte Botoxwangen, findet die deutsche Literaturkritikerin Elke Heidenreich. Mit Nonchalance geht sie in ihrem Essay «Altern» das Thema an und verbindet darin persönliche Erfahrungen mit Zitaten von Autorinnen oder Philosophen. Mit 81 Jahren weiss sie, was sie will: «Ich will wach sein, aufmerksam, ich will Zeuge der Welt sein, aber nicht mehr für alles zuständig.» Dafür sorgt das stete Lesen und Schreiben genauso wie ihr 28 Jahre jüngerer Lebenspartner und ihr Freundinnenkreis.
Mit Witz, in dem zuweilen die Wut aufblitzt, stemmt sie sich gegen die Rolle, welche die Gesellschaft für die Alten vorsieht. Die «liebe, alte Oma, die niemandem zur Last fällt», mag sie nicht sein. Lieber bleibt sie «spöttisch und störrisch und kämpferisch», mokiert sich über das «rundum Versicherte, Woke, Brave».
Und sie hält es frei nach Astrid Lindgren: «Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern.» Trotz heiterem Grundton spart sie die Schattenseiten nicht aus: Gedanken an den eigenen Tod und den der Liebsten, zu Einsamkeit und Krankheit, zum Loslassen können.
So wird ihr Essay zur leichtfüssigen sowie gedankenanregenden Lektüre, auch wenn die Zitatenfülle manchmal überhandnimmt. Ihre Ansichten liefern Gesprächsstoff: etwa darüber, was dem Leben unabhängig vom Alter Sinn gibt. Oder wo alte Menschen, die nicht mehr so fit sind wie die Autorin, im auf Leistung und Effizienz getrimmten Wirtschaftsgetriebe ihren Platz finden.
«Altern» ist Teil der Hanser Buchreihe über die «zehn wichtigsten Themen des Lebens»: Bereits erschienen ist «Schlafen» von Theresia Enzensberger, Bücher zum «Lieben» und zum «Streiten» folgen.
Elke Heidenreich
Altern
112 Seiten
(Hanser Berlin 2024)