Viele Schriftsteller schreiben über ihr Schreiben. Und nicht immer sind diese Selbsterkundungen besonders spannend für Aussenstehende. Der 40-jährige Benedict Wells hingegen gibt mit dem neuen Buch «Die Geschichten in uns» einen humorvollen, persönlichen Einblick in seine literarischen Prägungen, den unermüdlichen Antrieb zum Schreiben und seine Methoden.
Vor allem das Scheitern ist ein grosses Thema, wenn er erzählt, wie er jahrelang schrieb und umschrieb und keinen Verlag fand, wie er sich als Versager fühlte und trotz allem weiterschrieb.
Der Autor, der schliesslich mit Bestsellern wie «Vom Ende der Einsamkeit» und «Hard Land» zum Publikumsliebling wurde, schaut unverblümt auf seine Fehler und misslungenen Erstfassungen und zeigt dadurch, wie viel es für einen guten Roman braucht.
So gibt er auch zahlreiche konkrete Tipps für alle, die schreiben wollen – von zündenden Funken, lebensechten Figuren und Dialogen über die Wahl der Sprache und Erzählperspektive bis zum Verdichten.
Die Verdichtung hätte seinem aktuellen Buch zwar auch nicht geschadet, zumal Wells einige Thesen wiederholt. Dafür lässt er tief in sein Leben und Werk blicken, die untrennbar miteinander verknüpft sind.
In seinen Büchern, die stets unterhaltsam sind, aber um dunkle Themen wie Verlust und Einsamkeit kreisen, schöpft er aus Geschichten in sich selbst, die in der Kindheit ihren Anfang nahmen: das chaotische Zuhause mit einer Mutter, die immer wieder in der Psychiatrie landet, und einem Vater, der in die Insolvenz abrutscht, das Aufwachsen in Heimen, das Leben ohne Auffangnetz, die Trost spendenden Bücher.
Diese Prägungen fliessen im Unterstrom seiner Werke mit – genauso wie die Empathie, die er für seine oft verlorenen Figuren empfindet. «Ich verstand früh, dass Lesen einen in manchen Momenten retten kann», schreibt er an einer Stelle. Mit dem Schreiben ist es ihm gleich ergangen. Es ist für ihn seit Teenagertagen «die Chance, ein anderer zu sein».
Benedict Wells
Die Geschichten in uns
400 Seiten
(Diogenes 2024)