Jüngst hat sie in Patagonien und Paris gedreht – und aus Deutschland und Frankreich sind soeben Anfragen zum Casting gekommen. Schauspiel bedeutet für Sabine Timoteo Reisen – in andere Welten, Sprachen, Kulturen. «Die Rolle ist ein Vehikel, das einen mitnimmt in eine Geschichte, an Orte, an die man sonst vielleicht nie hingekommen wäre», sagt sie. Die Schauspielerin kommt im bunten Sommerkleid zum Treffen in ihrem Heimatort Bern, erzählt gut gelaunt und nach anfänglicher Zurückhaltung ganz offen aus ihrem Leben.
Zum Film ist die 44-Jährige über Umwege gekommen: Zu Beginn ihrer Karriere war sie als preisgekrönte Balletttänzerin in Heinz Spoerlis Ensemble engagiert. «Das habe ich von einem Tag auf den anderen über Bord geworfen, habe mir den Kopf rasiert und bin im Nichts gelandet», beschreibt sie den Punkt, als sie merkte, dass sie vom Leben etwas anderes will. Für ihren ersten Film «L’amour, l’argent, l’amour» erhielt sie den Schweizer Filmpreis und den bronzenen Leoparden – und entschied sich danach für eine Kochlehre in Bern. «In meiner ersten Rolle habe ich mich fast selbst aufgelöst. Danach wollte ich nicht mehr zur Projektion zur Verfügung stehen, wollte spüren, wer ich bin.» Ihre Kochlehre beendete sie mit Bravour, wurde währenddessen Mutter und gewann wieder Boden unter den Füssen.
Rückzugsorte in Bern und im Wallis
Unter anderem hat sie ihr Interesse an Geschichten wieder zur Schauspielerei geführt. Seit rund 20 Jahren spielt sie oft komplexe Filmcharaktere: Als Prostituierte, geistig Behinderte oder Freundin eines Sexualstraftäters lotet sie Grenzen aus. In ihre Rollen taucht sie so intensiv ein, dass man als Zuschauerin das Gefühl hat, sie verschreibe sich ihrer Figur mit Haut und Haar. «Wenn ich mich in eine Figur hineinversetze, fängt etwas in mir an zu vibrieren, das gibt eine Art Spiegelungseffekt. Ich vertraue darauf, dass etwas in mir erklingt und sich meine Sinne in alle Richtungen strecken», erklärt sie. Das Risiko, sich selbst zu verlieren, habe sie heute aber nicht mehr. Nach Drehs im Ausland ist Bern ihr Rückzugsort. Hier leben die beiden inzwischen fast erwachsenen Töchter. Und im Wallis, wo sie mit ihrem Freund ein Stück Land bebaut, findet sie Bodenhaftung.
Im geheimnisvollen Filmdebüt «Cronofobia» des Tessiner Regisseurs Francesco Rizzi spielt Timoteo wieder eine seelisch zerrüttete Figur: Anna hat ihren Gatten verloren und lebt seither in Erinnerungen. Durch die Begegnung mit einem mysteriösen Mann (Vinicio Marchioni) kann sie sich allmählich von der Vergangenheit lösen. Für «Cronofobia» hat Timoteo auf Italienisch gedreht. Kein Problem für die Schauspielerin, die fünf Sprachen beherrscht. «Eine andere Sprache bringt mich in einen anderen Raum. Beim Spielen fühle ich mich in jeder Sprache anders», sagt sie und fügt im schönsten Berner Dialekt an: «Das fägt!»
Sabine Timoteos Kulturtipps
Musik
Lia Sells Fish
«Die Band rund um Christine Hasler spielt am Ostfest in Bern – lokal und eigen, unbedingt hingehen!»
Sa, 3.8., altes Tramdepot Burgernziel Bern
www.ostfest.ch
Buch
Cynthia Fleury: Le soin est un humanisme (Gallimard 2019)
«Die Worte der französischen Philosophin und Psychoanalytikerin sind anstrengend, aber so was von einleuchtend.»
Auf Deutsch ist bisher Fleurys «Die Unersetzbaren» erhältlich.
Ausstellung
Carmen Perrin – Reprends ton souffle
«Wenn jemand ein Werk macht namens ‹Entrer dehors, sortir dedans›, dann weckt mich das.»
Bis So, 22.9.
Kunsthaus Grenchen SO