Romane Von Männern auf der Flucht
Männer gegen 40, bindungsunfähig, stets auf der Flucht vor dem Alltag: Das sind die Protagonisten in Wilhelm Genazinos und Michael Weins’ neuen Romanen. Den Stoff gehen die Autoren auf unterschiedliche Weise an.
Inhalt
Kulturtipp 19/2011
Babina Cathomen
«Wenn wir Tiere wären» heisst der neue Roman des 68-jährigen Büchnerpreis-Trägers – und dies wünscht sich auch sein Protagonist, der mehr schlecht als recht durchs Leben schlittert. Eine Ente etwa, die er auf einer seiner ziellosen Stadttouren entdeckt, löst bei ihm Begeisterung aus: «Ja, ich wünschte mir, die Ente nachahmen zu können. Schlafend auf einem Bein in der Stadt herumstehen: dann fiele mir kein weiterer Wunsch mehr ein...
«Wenn wir Tiere wären» heisst der neue Roman des 68-jährigen Büchnerpreis-Trägers – und dies wünscht sich auch sein Protagonist, der mehr schlecht als recht durchs Leben schlittert. Eine Ente etwa, die er auf einer seiner ziellosen Stadttouren entdeckt, löst bei ihm Begeisterung aus: «Ja, ich wünschte mir, die Ente nachahmen zu können. Schlafend auf einem Bein in der Stadt herumstehen: dann fiele mir kein weiterer Wunsch mehr ein.» Auch in seinem neuen Roman stellt Wilhelm Genazino wieder einen einsamen Eigenbrötler in den Mittelpunkt, der an «Lebensangst» leidet: Der zirka 40-jährige Ich-Erzähler arbeitet als Architekt und mag sich weder in seiner langjährigen Beziehung noch bei der Arbeit fest binden. Ohne Absicht hat er plötzlich ein «Gebrauchtleben», als er die Identität eines verstorbenen Freundes – dessen Arbeitsstelle, Frau und Auto – annimmt. Genazinos Figuren zeichnen sich stets durch eine seltsame Unbeteiligtheit am eigenen Leben aus, sich selbst beobachten sie wie von aussen. Und wieder zelebriert Genazino die «Alltagsmystik», wenn die «Nebensachen zu inneren Hauptsachen» werden, wie es der Ich-Erzähler ausdrückt. Diese skurril-verschrobene Sicht auf die Welt hat der Autor in seinen Texten zwar bereits in verschiedenen Varianten durchgespielt, trotzdem begleitet man seinen Protagonisten gern ein weiteres Mal im sogenannten «Verwurstungsbetrieb des Lebens».
Michael Weins’ Traumreisender
Der Held im Roman «Lazyboy» des 40-jährigen Autors und Psychologen hat eine spezielle Methode, um dem Alltag zu entfliehen: Wenn er durch eine Türe tritt, findet er sich zuweilen an einem ganz anderen Ort wieder – dummerweise kann er seine «Türensprünge» nicht selbst kontrollieren, was seine Freundin, die sich mehr Verbindlichkeit von ihm wünscht, zur Weissglut treibt. Und so begibt sich Lazyboy, der 35-jährige Journalist und «Berufsjugendliche» mit dem Namen aus Rapper-Zeiten, auf die Couch einer Psychologin. Doch Verständnis findet er vor allem bei der 13-jährigen Daphne, zumal diese selbst so eine Türe im Keller besitzt. Durch dieses Tor gelangt er in eine andere Welt, wo sein Leben endgültig aus den Fugen gerät.
Weins hat mit seinem Lazyboy einen mit all seinen Fehlern liebenswerten Protagonisten geschaffen: Vor allem im ersten Teil glänzt sein Roman mit witzigen Szenen und Sinn für absurde Situationen. Im zweiten Teil wird es zunehmend surreal, Lazyboy schlägt sich auf seiner fantastischen Reise ins Innere durch traumähnliche Landschaften.