Roman: Zerstörerische Kraft
In Christian Buders Krimi-Roman «Das Gedächtnis der Insel» gräbt ein Archäologe auf einer bretonischen Insel in seiner Vergangenheit und fördert Erschreckendes zutage.
Inhalt
Kulturtipp 16/2017
Babina Cathomen
Ein Sturm zieht auf. Ein Sturm, so stark, dass danach kein Stein mehr auf dem andern stehen wird. In Christian Buders Roman tobt das Meer, wirft seine Wellen über die kleine Insel in der Bretagne. Mittendrin der Archäologe Yann, der zur Beerdigung seines Vaters in seine Heimat zurückgekehrt ist. Seit 30 Jahren hat er die Insel nicht mehr betreten, denn sie hat ihm seine Mutter geraubt, die bei einem mysteriösen Unfall im Meer ums Leben gekommen ist. Yann war damals no...
Ein Sturm zieht auf. Ein Sturm, so stark, dass danach kein Stein mehr auf dem andern stehen wird. In Christian Buders Roman tobt das Meer, wirft seine Wellen über die kleine Insel in der Bretagne. Mittendrin der Archäologe Yann, der zur Beerdigung seines Vaters in seine Heimat zurückgekehrt ist. Seit 30 Jahren hat er die Insel nicht mehr betreten, denn sie hat ihm seine Mutter geraubt, die bei einem mysteriösen Unfall im Meer ums Leben gekommen ist. Yann war damals noch ein Kind und hat seinem Vater nie verziehen, dass er seine Mutter zwei Wochen nach deren Tod durch eine andere Frau ersetzt hat. Gegen Rykel, die neue Frau, hegt er immer noch eine tiefe Abneigung. Einziger Lichtblick war damals seine Jugendliebe Gwenn. Sie ist inzwischen Polizistin und untersucht den Tod von Yanns Vater.
Der Sturm als Abbild der Seele
Die Rückkehr in seine karge Heimat ist für Yann mit starken Gefühlen verbunden – die stürmische See entspricht seinem Innern. Der Autor und Journalist Christian Buder wählt wie schon viele Autoren vor ihm die Naturgewalt als Metapher für die zerrüttete Seele. Je heftiger der Sturm wütet, desto intensiver entwickelt sich Yanns Gefühlschaos. Mit Gwenn gräbt er in der Vergangenheit und fördert dort Erschreckendes zutage. Vonseiten der schweigsamen Insulaner ist freilich keine Hilfe zu erwarten: Auf Yanns Fragen können oder wollen sie keine Antworten geben.
Der 49-jährige, deutsche Autor wartet mit einer spannenden Ausgangslage auf. Die rauen Insulaner und die bedrohliche Stimmung des aufziehenden Jahrhundertsturms beschreibt er atmosphärisch dicht. Allerdings wirkt die Handlung zunehmend konstruiert und unglaubwürdig. Das dick aufgetragene Ende würde sich in einer Herz-und-Schmerz-Soap besser ausnehmen. Dennoch: In heissen Sommertagen übt der Roman eine kühlende Wirkung aus und versetzt die Leser in die stürmische Bretagne. Die Krimihandlung reichert der Schriftsteller mit philosophischen Gedanken zur zerstörerischen Kraft der Liebe an.
Buch
Christian Buder
«Das Gedächtnis der Insel»
272 Seiten
(Karl Blessing 2017).