Die südkoreanische Kultur ist momentan tonangebend. Vor Kurzem wurde die Schriftstellerin Han Kang mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. K-Pop ist aus den Musik-Charts nicht mehr wegzudenken, und die brutale, aber sozialkritische Serie «Squid Game» sorgt weltweit für Furore.
Deutlich leiser, aber nicht weniger beeindruckend ist das literarische Debüt von Won-pyung Sohn. Ihr Roman «Mandel», bereits 2017 veröffentlicht, wurde in Südkorea zum Bestseller. Nun erscheint die ergreifende Geschichte über Liebe und Freundschaft auf Deutsch.
Im Roman erzählt die Autorin, die sich in ihrer Heimat als Filmregisseurin einen Namen machte, von Yunjae, einem Aussenseiter, der an Alexithymie leidet: Seine Amygdala, ein Teil des Gehirns, der die Emotionen steuert und auch als Mandelkern bezeichnet wird, ist verkleinert. Er ist deswegen nicht fähig, die Gefühle anderer zu deuten oder seine eigenen auszudrücken.
Er spürt zwar Schmerz, Hunger und Hitze, kann aber nicht wütend oder traurig werden. Yunjae lacht nicht, er kennt weder Freude noch Furcht oder Schuldgefühle. Während seine Grossmutter ihn «bezauberndes kleines Monster» nennt, ist seine Mutter darum bemüht, ihm Gefühle anzutrainieren.
Yunjaes apathisches Verhalten sorgt für traurige, aber auch absurde Situationen. Nach einem tragischen Ereignis, bei dem der Teenager mit ausdrucksloser Miene zusieht, lernt er Yisu kennen. Der gleichaltrige Junge, genannt Gon, ist ein Rüpel und Schläger. Trotz ihrer Gegensätzlichkeit entsteht zwischen den beiden Jugendlichen eine Freundschaft.
Welt aus der Perspektive des jungen Protagonisten
Der Entwicklungsroman mit Referenzen an J. D. Salinger und Hermann Hesse richtet sich an ein jüngeres Publikum. Erzählt wird der Roman aus Sicht des Jungen, seine Sprache ist wenig nuanciert, tiefgreifende Gefühle verstecken sich zwischen den Zeilen.
Mitunter ein bisschen rührselig und mit weit hergeholten Wendungen schildert Sohn das Gefühlschaos in der Pubertät und entlarvt zugleich den Erfolgsdruck in der südkoreanischen Gesellschaft.
Buch
Won-pyung Sohn
Mandel
Aus dem Koreanischen von Sebastian Bring
224 Seiten
(Blumenbar 2024)