Nachdem er kürzlich noch in Liebesnöten über die Kinoleinwand stolperte, ist er nun endlich in der Literatur zurück: Motti Wolkenbruch. Der junge Mann, der mit seiner jüdisch-orthodoxen Familie gebrochen hat, weil er sich in eine «Schickse», eine Nicht-Jüdin, verliebt hat. In der Fortsetzung von Thomas Meyers Bestseller sitzt der Held betrübt im Hotelzimmer, bis ein mysteriöser Herr Hirsch auftaucht. Er gehört zu den «Verlorenen Söhnen Israels» und nimmt den Herzschmerz-Patienten mit nach Tel Aviv. In einem Kibbuz steigt Motti schon bald auf zum Anführer einer chaotischen Runde, die nach der jüdischen Weltherrschaft trachtet – etwa auf kulinarische Art.
Lustvoll spielt Thomas Meyer mit antisemitischen Klischees und steigert sie ins Groteske. Parallel zu Mottis Geschichte webt er einen Handlungsstrang rund um eine Nazi-Gruppe ein, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an die Macht will. Mit einer «Hassmaschine», die ans Internet erinnert, wollen sie Zwietracht säen. Und so beginnt ein Kampf um die Weltherrschaft – bis zum Showdown zwischen Motti, seiner «Mame» und der betörenden Nazi-Spionin Hulda.
Manche Szenen wirken zwar etwas arg überdreht, aber insgesamt erzählt Meyer mit Tempo und viel Witz – und trifft mit seiner satirischen Gesellschaftskritik mitten ins Schwarze. Urkomisch etwa die Szene, als Mottis rabiate «Mame» ein Streitgespräch mit der manipulierten Handy-Sprachassistentin Alexa alias Schoschanna anzettelt. Hier zeigt sich Thomas Meyer in Bestform.
Der kulturtipp hat dem Zürcher Autor einige Fragen zum neuen Roman gestellt.
kulturtipp: Sie begegnen antisemitischen Klischees mit Humor und entlarven sie, indem Sie diese grotesk überzeichnen. Ist Humor die beste «Waffe» gegen Hass und Vorurteile?
Thomas Meyer: Für mich schon. Man muss das auslachen. Es ist so lächerlich. Aber ich nehme es dennoch viel zu oft noch viel zu ernst.
Die Hass-Kommentare, welche die Nazis in Ihrem Roman über ihre «Hassmaschine» verbreiten, kann man genau so auf Social Media lesen. Wie stark haben Sie sich davon inspirieren lassen?
Sie stammen tatsächlich von da. Ich habe sie 1:1 kopiert. Und, wo nötig, leicht abgeändert, damit sie in die Handlung passen, also beispielsweise Flüchtlinge durch Orangen ersetzt. Aber sonst ist das alles original.
Wie werden Sie selbst – im Internet und im Alltag – mit Antisemitismus konfrontiert?
Der Jude, der geldgeil ist – das bringt man nicht aus den Köpfen. Das sehen einfach wirklich fast alle so, und viele davon, auch Freunde von mir, finden es in Ordnung, mich damit zu konfrontieren. Ich lade jemanden zum Tee ein, und es heisst: Jetzt bist du aber ein schlechter Jude, haha! Ich überlege mir ernsthaft, was ich mit solchen Leuten überhaupt noch reden soll.
Ist bereits ein dritter Motti-Band in Planung – oder wo gehts hin mit dem sympathischen Helden?
Offengestanden finde ich die «Mame» mittlerweile viel lustiger. Wenn, dann mache ich mit ihr was.
Lesungen
Mo, 14.10., 19.30 Orell Füssli Basel
Am Festival «Zürich liest»: Mi, 23.10., 18.00 Micasa Dübendorf ZH
Do, 24.10., 18.00 Micasa Volketswil ZH
Fr, 25.10., 21.00 Micasa Migros City Zürich
Sa, 26.10., 11.00 Micasa Pop-Up-Store Zürich
Lesetour: www.thomasmeyer.ch/lesungen/
Buch
Thomas Meyer
Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin
275 Seiten
(Diogenes 2019)