Roman von Franz Hohler: Ein Bote aus uralter Zeit
Ein Mönch aus dem 8. Jahrhundert und ein Bibliothekar aus der Gegenwart unternehmen in Franz Hohlers neuem Roman «Das Päckchen» abenteuerliche Reisen.
Inhalt
Kulturtipp 22/2017
Babina Cathomen
Manche Menschen begeben sich für ein Buch in Lebensgefahr. So ergeht es Franz Hohlers Protagonist. Unter mysteriösen Umständen fällt dem Bibliothekar Ernst Stricker eine Original-Schrift aus dem Frühmittelalter in die Hände. Bei deren Anblick bekommt er eine Gänsehaut. Aus dem «Geruch, als werde ein längst vergessenes Kellergewölbe geöffnet», schliesst er, dass es sich um «einen Boten aus einer anderen Zeit» handel...
Manche Menschen begeben sich für ein Buch in Lebensgefahr. So ergeht es Franz Hohlers Protagonist. Unter mysteriösen Umständen fällt dem Bibliothekar Ernst Stricker eine Original-Schrift aus dem Frühmittelalter in die Hände. Bei deren Anblick bekommt er eine Gänsehaut. Aus dem «Geruch, als werde ein längst vergessenes Kellergewölbe geöffnet», schliesst er, dass es sich um «einen Boten aus einer anderen Zeit» handelt. Tatsächlich gilt diese verschollen geglaubte Handschrift aus Pergament als das älteste Buch deutscher Sprache: Der im 8. Jahrhundert entstandene Abrogans ist ein lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch von unschätzbarem Wert.
Das Buch katapultiert Ernst aus seinem beschaulichen Leben mitten hinein in ein Abenteuer. Denn der etwas biedere Bibliothekar wird vom Forschungsfieber gepackt – und scheut sich auf seiner Spurensuche nicht, die Polizei zu narren oder seine Frau anzuschwindeln. Schliesslich führt ihn seine Recherche auf eine Bergtour in die Jungfrau-Region, wo er sich von der Neugier getrieben in eine lebensgefährliche Situation begibt.
Parallel zu dieser Geschichte aus der Gegenwart erzählt Franz Hohler von Haimo, einem bayerischen Mönch und Skriptor im 8. Jahrhundert. Mit Gänsekiel und Tinte gestaltet Haimo in kunstvollen Schriftzügen den Abrogans. So wie Ernst über 1200 Jahre später verlässt der Mönch seine gewohnten Pfade: Er macht sich auf in Richtung Rom, um den Abrogans in andere Klöster zum Abschreiben zu bringen – zusammen mit seiner Geliebten Maria, die sich vorerst als Stallbursche ausgibt.
Franz Hohler zeigt sich einmal mehr als packender Erzähler. In einfacher Sprache verknüpft er kunstvoll die mittelalterliche Klosterwelt mit der technologisierten Gegenwart. Gesellschaftskritische Spitzen kommen dabei ebenso wenig zu kurz wie der leise Humor. Und auch ein paar wenige fantastische Elemente halten wieder Einzug in Hohlers Werk. Denn den entscheidenden Hinweis erhält Ernst von einer nächtlichen Erscheinung in einer abgelegenen Berghütte, die er sich rational nicht erklären kann …