Roman Todesmaschine im Dienste der Justiz
Claude Cueni hat eine Hommage an «Monsieur de Paris» geschrieben. Hinter dem edlen Titel verbirgt sich der Henker Charles-Henri Sanson (1739–1806), der 2918 Todesurteile vollstreckte.
Inhalt
Kulturtipp 05/2013
Rolf Hürzeler
Dieser Mann faszinierte Generationen. Vor der Französischen Revolution erhängte CharlesHenri Sanson die Feinde der Monarchie und während der Revolution köpfte er die Monarchisten. Sanson brachte es auf knapp 3000 Hinrichtungen. Eine Art Massenmörder also, eine Todesmaschine im Dienst einer willfährigen Justiz, die sich nach dem Willen der politischen Machthaber richtete.
Der Basler Autor Claude Cueni hat nun eine Biografie in Romanform über den Sch...
Dieser Mann faszinierte Generationen. Vor der Französischen Revolution erhängte CharlesHenri Sanson die Feinde der Monarchie und während der Revolution köpfte er die Monarchisten. Sanson brachte es auf knapp 3000 Hinrichtungen. Eine Art Massenmörder also, eine Todesmaschine im Dienst einer willfährigen Justiz, die sich nach dem Willen der politischen Machthaber richtete.
Der Basler Autor Claude Cueni hat nun eine Biografie in Romanform über den Scharfrichter geschrieben. Er beschreibt den Mann als einen feinfühligen Menschenfreund, als einen Freund der Musen, der am liebsten Arzt werden wollte und Medizin studierte: «Er war Teil dieser neuen experimentellen Mediziner, die wie die mutigen Seefahrer neue Kontinente erschlossen.» Doch dieses Glück war für Sanson von kurzer Dauer. Er musste 1754 nach einer Erkrankung seines Vaters dessen Amt in Paris übernehmen – und wurde an seiner Stelle Scharfrichter. Charles- Henri stand damit in der Tradition seiner Familie, auch wenn er diese ablehnte. Einer seiner Nachfahren hat die Geschichte des Clans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den «Tagebüchern der Henker von Paris (1685–1847)» beschrieben.
Stundenlange Qual
Die Lektüre des «Henkers von Paris» ist nichts für sensible Gemüter. Cueni beschreibt Folterszenen vom 28. März 1757 en detail. Etwa als der Vorrevolutionär Robert-François Damiens vor der Hinrichtung in einem spanischen Stiefel steckte. Sein Bein wurde in Metallplatten gepresst und mit eisernen Nägeln durchstochen. «Beim siebten Nagel stiess Damiens nur noch einen einzigen gellenden Schrei aus …» Die Qual sollte stundenlang dauern, bis er mit Pferden gevierteilt wurde. Die makabre Szene ist historisch verbürgt. Stellt sich die Frage, warum wird einer Henker und Folterknecht, wenn er lieber Arzt wäre? Für Cueni ist klar: «Dieser Beruf war gut bezahlt in einer Zeit, in der die Bevölkerung unter Armut litt.»
Für die Leser zumutbar oder nicht. Es ist Cuenis Verdienst, dass er in seinem Buch so interessante Figuren wie Damiens auftreten lässt. Dieser wagte als einer der Ersten, die totalitäre französische Monarchie herauszufordern, und versuchte Anfang 1757, König Louis XV. zu erstechen. Damiens war zwar religiös und nicht der Aufklärung verpflichtet, aber er erkannte das Unrecht des monarchistischen Regimes. Oder in modernen Worten: Damiens war in den Augen des Regimes ein Terrorist, heute kann man ihn als Freiheitskämpfer erkennen.
Ausser Kontrolle
Cueni beschreibt auch eindrücklich, wie die Hinrichtungswelle während der Revolution in den Jahren 1773 und 1794 ausser Kontrolle geriet. Paris versank unter dem Terror von Robespierre in der Rechtlosigkeit. Der Vollstrecker des Unrechts war ebenfalls Sanson.
Eine andere spannende Figur in Cuenis Buch ist der Deutsche Tobias Schmidt, ein Freund des Henkers Sanson. Schmidt stimmte das Klavier der musikliebenden Henkersfamilie regelmässig. Während der Revolution erhielt er den Auftrag, eine Guillotine zu bauen nach den Plänen des Arztes Joseph-Ignace Guillotin. Schmidt erledigte den Auftrag mit Gründlichkeit, die Einrichtung wurde zu einer effizienten Tötungsmaschine.
Solche Figuren machen den Roman lesenswert. Cueni erzählt die Geschichte schnell, sachlich und in kurzen Sätzen. Eine spannende Lektüre, auch wenn die grauslichen Passagen nun wirklich nicht jedermanns Sache sind.
[Buch]
Claude Cueni
«Der Henker von
Paris»
391 Seiten
(Lenos 2013).
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