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In der Folge wird uns mit personalisierter Werbung alles angedreht, was es mit Geld zu kaufen gibt. Sogar Dinge, von denen wir nicht mal wussten, dass wir sie uns wünschen. Überwachungskapitalismus nennt die HarvardProfessorin Shoshana Zuboff das Phänomen, das der Schriftsteller und Drehbuch-Autor Anthony McCarten in «Going Zero» konsequent weiterdenkt. Im Thriller schliesst sich der Internetmulti World Share von Cy Baxter mit US-Geheimdiensten zur Partnerschaft Fusion zusammen.
Diese soll in einem Experiment beweisen, dass die USA kein totalitärer Überwachungsstaat sind; dass sich einzelne Individuen noch immer verstecken können. Zehn sogenannte Zeros werden ausgewählt, um mit zwei Stunden Vorsprung für 30 Tage unterzutauchen. Wer es schafft, trotz den gesammelten persönlichen Daten von der Blutgruppe bis zum Kontostand unter dem Radar zu bleiben, steckt ein Preisgeld von drei Millionen Dollar ein.
Allein die Spuren, die täglich durch Kartenzahlungen, Einkäufe und Suchbegriffe entstehen, reichen in der Regel, um die Nutzer in Minuten zu lokalisieren. McCarten verortet den TechMilliardär Baxter im Zwielicht zwischen Elon Musk und Mark Zuckerberg. Baxter ist nicht nur felsenfest überzeugt, dass Privatsphäre ein Relikt vergangener Zeiten ist, sondern bewegt sich mit technischen Spielereien im dunkelgrauen Legalitätsbereich. So verwandelt er etwa ausgeschaltete Fernseher in Wanzen.
Er hat aber die Rechnung nicht mit Bibliothekarin Kaitlin gemacht, die nicht des Geldes wegen, sondern aus persönlichen Gründen teilnimmt.
Technologie als dämonische Kraft
Dass Datenkraken unser durchdigitalisiertes Leben mitbestimmen, zeigt auch die sechste Staffel der britischen ScienceFiction-Serie «Black Mirror» auf Netflix. Die elegant konstruierten Episoden halten uns den «schwarzen Spiegel» – sinnbildlich für die Bildschirme, über die das digitale Leben abgewickelt wird – wie eine düstere Prophezeiung vor.
Roman und Serie behandeln mit soghafter Wirkung und hoher Intensität die Paradoxe von Technologie und Gesellschaft. Wo der Roman nahe an der beängstigenden Realität bleibt, driftet die Serie auch mal in beissende Satire ab oder kippt gar ins Fantasy-Horror-Genre. Anders als bei «Going Zero», wo Technologie oft als dämonische Kraft rüberkommt, regt «Black Mirror» durch ein nuancierteres Technikbild zum Nachdenken an.
Sowohl in der Serie als auch im Roman, den Anthony McCarten mit Cliffhangern auf filmreife Spannung trimmt, schluckt man immer wieder leer – etwa wenn Kaitlin um Haaresbreite einer Drohne entkommt. Doch für den TechMilliardär steht mehr auf dem Spiel: Spürt er alle zehn Zeros auf, fliessen Milliarden von der Regierung in sein Unternehmen. Zusätzliches Wasser auf die Mühlen der Überwachungsmaschinerie: Tick, tick, tick, die Zeit läuft.
Serie
Black Mirror
Idee: Charlie Brooker GB 2011–2023,
Netflix 27 Episoden in 6 Staffeln
Buch
Anthony McCarten
Going Zero
Aus dem Engl. von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
464 Seiten (Diogenes 2023)