Für ihren Roman bekam Martina Hefter den Deutschen Buchpreis – die Entscheidung war umstritten, hatte doch eine Jurorin vorher kompromittierend von einer «Kompromisskandidatin» gesprochen. Ausserdem verliess Clemens Meyer, dessen 1000-Seiten-Werk «Die Projektoren» als Sieger erwartet worden war, laut schimpfend den Saal und machte seiner Enttäuschung medienwirksam Luft.
Hefters Buch ist das leichter konsumierbare Werk, nicht nur seiner lediglich 224 Seiten wegen. Es ist auch süffig geschrieben und über weite Strecken sehr dialoglastig. Schliesslich geht es darum, dass sich die Ich-Erzählerin Juno mit Love-Scammern austauscht, wenn sie nachts nicht schlafen kann. Mit Männern also, die sich als gut situierte Geschäftsleute ausgeben, Frauen in westlichen Ländern die grosse Liebe vorgaukeln – und sie doch nur finanziell ausnehmen wollen.
Doch bei Juno sind sie an die Falsche geraten. Denn die ist mit den Regeln des Spiels mehr als vertraut. Auch sie lügt wie gedruckt und nutzt die Männer aus, um sich die Zeit zu vertreiben. Dann aber entwickelt sich einer der Chats zu einem echten Austausch mit Benu, der in Nigeria lebt und das bald zugibt.
Die ganze Götterwelt ist vertreten
Die amüsanten, aber auch berührenden Dialoge kontrastiert Hefter mit Beschreibungen von Junos prekärem Alltag. Als Tänzerin kommt sie kaum über die Runden und muss zudem ihrem Mann Jupiter helfen – das ganze Werk ist mit Namen der Götterwelt durchsetzt, auch Benu ist ein nigerianischer Flussgott. Jupiter ist an Multipler Sklerose erkrankt und kann nur im Rollstuhl die Wohnung verlassen. Juno führt ein Leben zwischen Ballett, Proben, Textschreiben und Anträgen auf Fördermittel, aber «eigentlich schauspielerte sie nur dann, wenn sie nicht auf einer Bühne stand. (…) Da spielte sie, ein normaler Mensch zu sein».
Hefter hat ihr Buch über Wahrheit und Lüge, Liebe und Betrug an ihrem Leben entlanggeschrieben. Im Schlusswort dankt sie ihrem an MS erkrankten Ehemann, ihren Ballettfreundinnen, den Tätowierern. Auch der Mann, «der so ähnlich ist wie Benu», bekommt einen Dank.
Das alles kommt etwas bedeutungsschwanger daher. Auch das überladene Erzählgerüst blitzt hervor, etwa wenn Juno über das Geschäftsmodell der Love-Scammer und die Reisen weisser Sextouristinnen referiert, die sie nur aus Dokfilmen kennt.
Buch
Martina Hefter
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
224 Seiten
(Klett Cotta 2024)