Roman: Schwäche in der Stärke
Der deutsche Autor Klaas Huizing erinnert in seinem neuen Roman «Zu dritt» an das Privatleben des Basler Theologen Karl Barth. Er stand zwischen zwei Frauen.
Inhalt
Kulturtipp 01/2019
Rolf Hürzeler
Karl Barth ist bis heute ein weltanschaulicher Wegweiser für viele Gläubige. Der fortschrittliche Theologe machte sich einen Namen mit seinen Kommentaren zur Bibel und wurde zu einem der Exponenten der «Bekennenden Kirche», die sich gegen den Nationalsozialismus wandte. Vor allem aber hatte er die Fähigkeit, komplizierte theologische Widersprüche allgemein verständlich zu vermitteln: «Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber M...
Karl Barth ist bis heute ein weltanschaulicher Wegweiser für viele Gläubige. Der fortschrittliche Theologe machte sich einen Namen mit seinen Kommentaren zur Bibel und wurde zu einem der Exponenten der «Bekennenden Kirche», die sich gegen den Nationalsozialismus wandte. Vor allem aber hatte er die Fähigkeit, komplizierte theologische Widersprüche allgemein verständlich zu vermitteln: «Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-können wissen und eben damit Gott die Ehre geben», schrieb er als junger Mann Ende des Ersten Weltkriegs.
Man einigte sich auf eine Ménage-à-trois
Seine intellektuelle Stärke lässt vergessen, dass Barth (1886–1968) ein Mensch mit Unzulänglichkeiten wie jeder andere war. Daran erinnert nun der deutsche Schriftsteller und Theologe Klaas Huizing in seinem neuen Roman «Zu dritt». Er beschreibt darin, wie er sich heute das komplizierte Privatleben von Barth vorstellt: Dieser lebte in einem Dreiecksverhältnis zwischen zwei starken Frauen. Mit seiner Ehefrau Nelly hatte er fünf Kinder, mit seiner Geliebten Charlotte von Kirschbaum teilte er den intellektuellen Erkenntnisdrang. Sie begleitete seine Arbeit intensiv.
Huizing wählte eine eigenwillige Erzählform. Er lässt die drei Protagonisten in kurzen Kapiteln in der «Erlebten Rede» oder in Briefen zu Wort kommen: So berichtet die Geliebte Charlotte, «Lollo», von ihren inneren Widersprüchen: «Manchmal gewann sie den Kampf. Dann gewann der Körper. Hinterher fühlte sie sich leer, traurig und schämte sich.» Und umgekehrt ist Barths Ehefrau Nelly in ihrer Verzweiflung zu hören: «Wenigstens ihren Rücken hatte sie jetzt wieder gespürt, ihr ganzer Körper schrie seit Monaten vor Entbehrung. Sie schlug die Arme um die Beine und weinte.»
Trotz ihrer Wut begann sich Nelly nach und nach mit dem Verhältnis zwischen Charlotte und ihrem Mann zu arrangieren. Man einigte sich auf eine Ménage-à-trois, weil die Scheidung zwar erwogen, aber niemals ernsthaft angegangen wurde. Unter dieser schwierigen Konstellation litten die fünf Kinder. Huizing lässt sie zum Schluss seines Romans in kurzen Stellungnahmen zu Wort kommen. Offenkundig prägte das Leben mit der «Tante» ihre Kindheit, und es ist sogar die Rede von einer weiteren Gefährtin Barths. Das passt in die Logik dieser Geschichte: Alle bemühten sich zwar um möglichst viel Offenheit, aber das Unausgesprochene dominierte das Familienleben genauso wie anderswo.
Schicksalhaftes Ende der Geliebten
Der Jüngste, Hans Jakob, genannt «Hans-Joggeli», hatte zur Geliebten seines Vaters die engere Beziehung als zu seiner leiblichen Mutter. Auch das führte zur Erbitterung zwischen den beiden Frauen. Die für Aussenstehende schwer verständliche Konstellation kam zu einem schicksalhaften Ende: Charlotte erkrankte frühzeitig an einer Demenz und verbrachte die letzten Jahre in einem Heim. Die Zeit war gekommen, dass Nelly und Karl Barth wieder näher zusammenfanden.
Buch
Klaas Huizing
Zu dritt
399 Seiten
(Klöpfer & Meyer 2018)