Drei einsame Frauen – und ein verständnisvoller Mann. Was nach einer Beziehungsgeschichte klingt, entwickelt sich nach und nach zu einem packenden und überraschenden Krimi. Das erste Kapitel dreht sich um Orna: eine geschiedene Mutter in Tel Aviv, die sich liebevoll um ihren Sohn kümmert und immer noch ihrem Ex-Mann nachtrauert. Ablenkung verspricht der Anwalt Gil, den sie auf einem Dating-Portal kennenlernt. Sie findet ihn zwar durchschnittlich attraktiv, aber er zeigt Geduld und Verständnis, bis sie sich auf ihn einlässt – mit fatalen Folgen.
Von Patricia Highsmith inspiriert
Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht Emilia, eine aus Lettland stammende Altenpflegerin, die sich mit regelmässigen Kirchenbesuchen aus ihrer abgrundtiefen Einsamkeit zu befreien versucht. Beim Anwalt Gil sucht sie Unterstützung wegen ihrer Arbeitserlaubnis und ist überrascht, dass er sich auch persönlich für sie interessiert. Auch sie lässt sich auf ihn ein. Der Reigen vervollständigt sich im letzten Kapitel mit Ella: Sie lernt Gil in einem Café kennen, in dem sie täglich an ihrer Masterarbeit schreibt.
Spätestens Ende des ersten Kapitels stellt sich allerdings heraus: In diesem Buch ist nichts so, wie es scheint. Denn Dror Mishani hält einige überraschende Wendungen bereit. In seinem kunstvoll gebauten Roman nimmt er die Perspektive der drei ganz unterschiedlichen Frauen ein. Gil hingegen bleibt mysteriös, eine Projektionsfläche für die Protagonistinnen.
Der Autor und Literaturprofessor Mishani, der an der Universität Tel Aviv die Geschichte der Kriminalliteratur lehrt, hat sich, wie er in einem Interview sagte, von Patricia Highsmith inspirieren lassen – der Meisterin des psychologischen Thrillers. Durch die Lektüre ihrer Bücher habe er «die Lust auf ein formales Experiment verspürt»: «Einen Roman, in dem die am wenigsten erwartete Wendung psychologisch möglich ist, weil fiktive Charaktere wie Menschen seltsam sind und sich selbst nicht kennen, und in dem emotionale Grausamkeit wie unter dem Mikroskop und in einem gewissen Mass auch lustvoll untersucht wird.»
In den Status eines Kultautors erhoben
Bisher hat sich Dror Mishani einen Namen gemacht mit seiner Krimireihe rund um Inspektor Avi Avraham, in der er immer auch die Gesellschaft Israels unter die Lupe nimmt. Mit seinem literarischen Experiment «Drei» schaffte er es in Israel mehrere Monate auf Platz 1 der Bestsellerliste. Die israelische Zeitung «Yedioth Ahronoth» verglich den Hype um Mishanis Roman gar mit der neusten Staffel der Kultserie «Game of Thrones». Tatsächlich sind zu «Drei» auch eine israelische TV-Serie und allenfalls eine internationale Adaption in Planung.
Zweifellos entwickelt der Thriller einen Sog: Die Figuren bleiben einem in ihrem manchmal seltsam anmutenden Verhalten zwar fremd, aber das tut der Spannung keinen Abbruch.
Lesung: Festival BuchBasel
So, 10.11., 15.30 Volkshaus Basel
Buch
Dror Mishani
Drei
Aus dem Hebräischen von Markus Lemke
336 Seiten
(Diogenes 2019)