Roman: Rückzug in die Stille
Die australische Autorin Charlotte Wood lässt ihre Protagonistin im Roman «Tage mit mir» in einem Kloster Antworten auf Lebensfragen suchen.
Inhalt
Kulturtipp 12/2024
Babina Cathomen
Wer beim Lesen mal richtig entschleunigen will, liegt mit diesem Buch genau richtig: Charlotte Wood stellt eine Frau mittleren Alters ins Zentrum, die in einem Kloster in der kargen Monaro-Hochebene ihren neuen Lebens mittelpunkt findet. Die Ich Erzählerin, eine gestresste Städterin aus Sydney, ist zwar nicht gläubig, aber bei einem Ferienaufenthalt fasziniert vom geregelten Klosterleben der acht Nonnen, ihren hypnotisierenden Gesängen, der Stille, der La...
Wer beim Lesen mal richtig entschleunigen will, liegt mit diesem Buch genau richtig: Charlotte Wood stellt eine Frau mittleren Alters ins Zentrum, die in einem Kloster in der kargen Monaro-Hochebene ihren neuen Lebens mittelpunkt findet. Die Ich Erzählerin, eine gestresste Städterin aus Sydney, ist zwar nicht gläubig, aber bei einem Ferienaufenthalt fasziniert vom geregelten Klosterleben der acht Nonnen, ihren hypnotisierenden Gesängen, der Stille, der Langsamkeit und der Nähe zur Natur. Hier kann sie endlich wieder durchatmen.
Ihre kritischen Fragen zur katholischen Kirche, zu deren «weiblicher Unterordnung» oder zu den Psalmen über Sünde, Feinde und Unheil rücken da bei allmählich in den Hintergrund. Warum sich die Erzählerin bei einem erneuten Besuch überraschend entschliesst, zu bleiben, führt die Autorin nur am Rande aus. Vielmehr geht es ihr um Reflexionen über das Frausein, über Vergebung, Tod oder Trauer, die sich der Erzählerin in Erinnerungen erschliessen.
«Tage mit mir» bietet eine kontemplative Lektüre, bei der man mit der Hauptfigur eintaucht in den ruhigen Trott des Klosterlebens. Unterbrochen wird dieser nur von einer Mäuseplage, auf die drastische Massnahmen folgen, oder vom Besuch einer unliebsamen ehemaligen Mitschülerin, gegenüber der die Erzählerin Schuldgefühle hat.
Während Charlotte Wood in ihrem Bestseller «Ein Wochenende» (2020) über das Älterwerden dreier Freundinnen mit viel Tragikomik beste Unterhaltung lieferte, passiert im neuen Roman äusserlich nicht allzu viel. Ebenso wenig ist eine eigentliche Dramaturgie erkennbar, und die Geschichte endet so offen, wie sie begonnen hat. Ein stilles Buch im Rhythmus des klösterlichen Alltags.
Charlotte Wood
Tage mit mir
Aus dem Englischen von Michaela Grabinger
304 Seiten
(Kein & Aber 2024)