In Friedenszeiten wäre die Strecke von Damaskus nach Aleppo auf der Autobahn wohl in vier, fünf Stunden zu bewältigen. Doch die Zeiten in Syrien haben sich seit Ausbruch des Krieges geändert. Und der Titel des Romans von Khaled Khalifa macht deutlich: «Der Tod ist ein mühseliges Geschäft».
Nicht, dass die drei Geschwister Bulbul, Hussain und Fatima die Schwierigkeit ihres Unterfangens unterschätzt hätten. Aber der letzte Wunsch des Vaters war es nun mal, in seinem Heimatdorf im Norden des Landes neben Tante Laila begraben zu werden.
Eisgekühlt im Minibus unterwegs
So machen sich die drei mit der eisgekühlten Leiche des Vaters auf den Weg zu ihren Verwandten. Den Minibus haben sie wohlweislich mit einer provisorischen Ambulanzsirene versehen, um im Stau etwas schneller voranzukommen. Doch «im Krieg ist ein Leichentransport ein normales Ereignis, das nur den Neid der Menschen weckt, deren Leben nichts anderes ist als quälende Todeserwartung». Niemand hält ihnen den Weg frei.
Die Reise der drei Geschwister gerät zur Odyssee. Das Land ist durchsetzt von Strassensperren, die von Truppen aller Art belagert werden: Soldaten, Rebellen, Banditen. Mit wem die drei es jeweils zu tun haben, ist nie ganz klar. Schikaniert werden sie fast überall. Mal gilt es, einen Religionstest zu absolvieren, ein anderes Mal wird gar der Leichnam verhaftet. Oder dann wittern die Kontrollposten das grosse Geschäft und lassen die Trauergemeinschaft nur gegen Bestechung weiterziehen.
Und zu allem Übel werden die Eisblöcke im Innern des Wagens immer kleiner – der Tote immer «toter» … Ein makabres Schauspiel, das der syrische Autor Khaled Khalifa mit humorvollen Worten zu beschreiben vermag.
Der Krieg mit seinem Grauen ist präsent – immer und überall auf dem Weg von Damaskus nach Aleppo. Und doch ist er nicht zentrales Thema in seinem Roman. In einem Interview betont Khaled Khalifa, dass er sich nicht als Reporter des Kriegs verstehe, sondern als Schriftsteller, der fantasievolle Geschichten erzählen wolle.
Erinnerungen werden zur Familiensaga
Im jüngst auf Deutsch erschienenen Roman, der 2016 entstanden ist, beschränkt sich der 1964 geborene Khalifa nicht nur auf die beschwerliche Reise. Während der Fahrt in den Norden lässt er die Geschwister auf das Leben ihres Vaters zurückblicken. Erinnerungen an die Kindheit in einer grossen Gemeinschaft werden wach. «Nicht alle waren schlecht. Doch im Laufe der Zeit waren ihnen die unschuldigen Momente fremd geworden.» Jedes der Geschwister hängt den eigenen Gedanken nach, reflektiert Geschehenes – daraus resultiert eine unglaubliche, wahnwitzige Familiengeschichte voller kafkaesker Züge: traurig und komisch zugleich.
Humor hilft, dem Schrecken des Krieges entgegenzutreten: Das weiss der Autor aus eigener Erfahrung. Doch die Fröhlichkeit ist brüchig. Eine ausgelassene Stimmung unter Freunden könne schon mal von schallendem Gelächter in herzzerreissendem Weinen enden, erzählt er.
Der syrische Geheimdienst hat Khalifa seit geraumer Zeit im Visier. Wegzugehen zieht er aber nicht in Betracht. Ein Leben ausserhalb seiner Heimat sei für ihn nicht denkbar, sagt er. Er möchte Freunde, Erinnerungen sowie seine Identität nicht verlieren. Es bleibt die Zuversicht. Auch wenn seine Bücher in Syrien verboten sind, erhältlich seien sie im Land ja trotzdem.
Buch
Khaled Khalifa
Der Tod ist ein mühseliges Geschäft
Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
(Rowohlt 2018)